Das liegt offen zutage dank einem grossen Interview mit dem Wissenschaftspublizisten Michael Shellenberger. Er ist der Begründer der Bewegung “Environmental Progress”.
Kampf für Natur, Frieden, Wohlstand für alle!
Und er hat ein Buch geschrieben, “Apocalypse never”, das schon in 15 Sprachen übersetzt ist. Kritiker überschlagen sich beim Lob mit Superlativen:
“Eine Tour de Force des Wissenschaftsjournalismus!!” “Vielleicht das wichtigste Buch über die Umwelt, das je geschrieben wurde”, “Ein Wunder: ein … Pageturner, der Ihre Sicht auf die Welt verändern wird.”
Dazu kommt, dass Shellenberger die menschengemachte Erwärmung des Klimas nicht negiert: Meiner Meinung nach ist die Wissenschaft zum Klimawandel gut fundiert.
Was ist da bloss in die Weltwoche gefahren, die sonst besagte Klimawissenschaftler in schöner Regelmässigkeit in die Pfanne haut!?
Nun, des Rätsels Lösung zeigt sich schon im Titel des Interviews:
Im Interview geht es dann auch gleich so weiter: Das Pariser Abkommen ist reine Public Relations. Und mehr als das wird es auch nie sein, eine Beschäftigungsprogramm für Diplomaten. … Der ganze Uno-Apparat mit Klimaabkommen, Konferenzen, Weltklimarat und Klimaforschung … bringt PR, die den Druck erhöht, Kernkraftwerke abzuschalten, die wetterabhängigen erneuerbaren Energieformen auszubauen und den armen Ländern moderne Nahrungsmittelproduktion und Energiesysteme vorzuenthalten. … Die Klimadebatte schadet vor allem schwächeren Leuten und schwächeren Ländern.
Und dann lässt er die Katze aus dem Sack: Man muss immer versuchen, von technologisch schlechteren zu fortschrittlicheren Energieträgern zu gelangen: von Holz zu Kohle und Wasserkraft, von da zu Erdgas und schliesslich zu Kernenergie … Ich glaube, am Schluss dieser Energietransformationen werden wir zu hundert Prozent Kernkraft haben.
Damit ist klar, wohin der Weg zu gehen hat: Vergesst die unzuverlässigen alternativen Energien, in neuen Atomkraftwerken liegt das Heil!
Aber nicht nur neue Atomkraftwerke: Um die politische Sicherheit weltweit aufrechtzuerhalten, braucht es auch mehr Atomwaffen! Denn nachdem Shellenberger viele Jahre lang jeglichen Zusammenhang zwischen friedlicher und militärischer Nutzung bestritten hatte, streicht er inzwischen den Vorteil eines “Gleichgewichts des Schreckens” hervor:
Shellenberger … fragt sich, warum die abschreckende Wirkung der Atomkraft nicht als eine ihrer vielen Vorteile hervorgehoben wird. Er argumentiert sogar, dass der Iran ermutigt werden sollte, Atomwaffen zu entwickeln. Michael Shellenberger zitiert den langjährigen Verfechter der Verbreitung von Atomwaffen Kenneth Waltz, der behauptet, dass die «jahrzehntelange Atomkrise im Nahen Osten […] erst dann enden wird, wenn ein militärisches Gleichgewicht wiederhergestellt ist».
Shellenberger zitiert auch einen deutschen Akademiker, der argumentiert, dass ein mit Atomwaffen bewaffnetes Deutschland «die NATO und die Sicherheit der westlichen Welt stabilisieren würde». Aus seiner Sicht «sollten wir froh sein, dass Nordkorea die Bombe hat». Und so geht es weiter – seine Begeisterung für die Verbreitung von Atomwaffen kennt keine Grenzen. (aus dem Artikel “Wie Atomlobbyist Shellenberger lernt, die Atombombe zu lieben” von Jim Green, Friends of the Earth Australia)
Wer Lust hat, herauszufinden, warum Shellenberger’s Oeuvre vielleicht doch nicht ganz das wichtigste Buch ist, das je über die Umwelt geschrieben wurde, kann sich in die ausführliche Kritik “Bad science and bad arguments abound in Apocalypse never” vertiefen.
Es bleibt zum Schluss leider die Feststellung: Nix da mit “grüner Weltwoche”. Sie ist und bleibt ein Wochenblättchen jener reaktionären gesellschaftlichen Kräfte, die uns kräftig Sand in die Augen streuen möchten. Es dürfte kein Zufall sein, dass in der gleichen Nummer der ehemalige rechtspopulistische FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian Strache, der nach der Ibiza-Affäre mit Schimpf und Schande zurücktreten musste, das Wort ergreifen darf, um Kanzler Sebastian Kurz in die Pfanne zu hauen. Das Fake-Grün scheint sich schon wieder etwas zu verfärben …