Bei infosperber* im Dossier »kontertext« erschien am 26. Oktober der nachfolgende Artikel Hassprediger im Leerlauf von Alfred Schlienger zum 6. Geburtstag der BLoZ, der ehem. BaZ.
Wir freuen uns, diesen Text an die Leserschaft des birsfälder.li weiter zu leiten.
Das Titelbild, ein historischer Helge der Schnitzelbäggler SPYYRHIND zu gegebenem Anlass.
Hassprediger im Leerlauf
Und wieder hat es nichts genützt. Seit sechs Jahren schreibt sich nun Markus Somm, Schriftleiter der Basler Zeitung von Blochers Gnaden, bereits die Finger wund, mit keinem andern ersichtlichen Ziel, als in Basel einen rechtsbürgerlichen Machtwechsel nach dem Gusto der SVP herbeizuführen – und was macht das freche Basler Stimmvolk? Es wählt auch in den jüngsten Gesamterneuerungswahlen vom vergangenen Wochenende unverdrossen linker denn je: Rekordergebnis für die SP im Parlament, Spitzenresultate für zwei ihrer drei Regierungsmitglieder, und die neue Kandidatin der Grünen ist bereits im ersten Wahlgang in die Regierung gewählt. Der SVP-Bewerber dümpelt weit abgeschlagen, und die Parlamentsvertretung der Rechtsaussen-Partei stagniert wie bisher auf dem untypisch tiefen Niveau, das Blocher so ärgert. Alles in Butter also für einen weiterhin weltoffenen Kultur- und Wirtschaftsstandort am Rheinknie?
Ganz so einfach ist es leider nicht. Die Basler Zeitung vergiftet seit sechs Jahren das öffentliche Klima der Stadt systematisch und nachhaltig. Auf die Wahlen hin beschrieben Somm und die ihm verbliebene Schrumpf-Crew trommelfeuerartig und faktenfrei Basel als eine Stadt in Trümmern, eine Hochburg der Kriminalität, der Korruption, des Chaos und der Bürokratie. Die bürgerlichen Parteien titulierte der Chefschreiber als «Angsthasen» und peitschte sie höchstpersönlich in die Schlacht: Erst «wenn es raucht und kracht, erkennt der Bürger, wie viel auf dem Spiel steht», so Somm. Welch hübsche Pointe des Kanoniers: Der Pulverdampf als Mittel zum Erkenntnisgewinn und zur Hebung der Argumentationsqualität. Und die Spitzenspürnase der BaZ, die weiterhin in Wädenswil wohnhaft ist, erschnüffelt zielsicher: «In dieser Stadt herrscht eine feine Wechselstimmung, die Linke ist – wie übrigens in ganz Europa – innerlich zerschmettert, seit sie spürt, dass sich die Realität nicht ihren ideologischen Vorlieben beugt.» Könnte man das jetzt nach den Wahlen auch andersrum lesen? Der Wunsch war Vater eines Somm’schen Fast-Gedankens.
Systematische Zersetzung demokratischer Werte
Feldweibel Somm wusste zwei Monate vor der Wahl natürlich auch, was zu tun ist: «Eine Schadensbilanz der drei sozialdemokratischen Regierungsräte ist allen Haushaltungen zuzustellen», ordnete er militärisch knapp an, ganz in der flächendeckenden Herrliberger Briefkasten-Manier. Die Portokasse seines Geldgebers hätte die Kosten mit links übernommen. Schon mal etwas gehört, Herr Somm, – und vielleicht auch verstanden? – vom Funktionieren eines Kollegialsystems?
Und weil nach der Devise der grössten Partei der Schweiz Wahlkampf nicht nur alle vier Jahre stattfindet, sondern eben tagtäglich, durfte sich die Region Basel in den letzten sechs Jahren auch auf ein permanentes Bombardement der BaZ von rechtsaussen einstellen. Es gibt kaum einen Wert der Aufklärung, der dabei nicht unter Beschuss geriet: Rationalität, Menschenwürde, Gleichberechtigung, Schutz von Minderheiten und Schwächeren, Religionsfrieden, Gewaltenteilung, Rechtsstaat, Menschenrechte. Es sind diese Zersetzungsversuche fundamentaler demokratischer Werte, die wesentlich grössere Flurschäden hinterlassen als eine allfällige Verschiebung von ein paar Sitzen in Parlament oder Regierung.
Deutschschweizer Pressestimmen von ausserhalb der Region bescheinigten der BaZ hie und da, ihr aggressiver Stil sorge für eine «lebendigere Debatte». Eine solche Bilanz erscheint den meisten Dauerbeobachtern vor Ort doch eher kurzsichtig und oberflächlich. Auch hier können sechs Jahre Kampfblatt-Journalismus nicht erschöpfend bilanziert werden. Aber eines ist klar: Die BaZ hat in diesen Jahren keine einzige echte Debatte befördert, in der Argumente rational und nüchtern von verschiedenen Seiten her beleuchtet und abgewogen worden wären. Ihr Grundgestus im politisch-gesellschaftlichen Bereich ist vielmehr die reine Aufmerksamkeitsgenerierung, durch hetzerische Polemik, Skandalisierung und Empörungsbewirtschaftung. Verächtlichmachung und Verunglimpfung von Personen und Institutionen, sofern sie nicht ins eigene Förderprofil passen, das ist die scheinjournalistische Grundmethode. Ausgesprochen pfleglich und liebedienerisch geht man hingegen mit den wirklich Mächtigen in den Teppichetagen der Wirtschaft um.
Hetze gegen Ausländer – Einladung zur Folterpraxis
Wenn’s ganz unappetitlich werden soll, lässt Somm auch gerne andere Schreiber ran. So durfte etwa Redaktor Aaron Agnolazza nach der Eröffnung einer grenzüberschreitenden Tramlinie nach Deutschland hemmungslos über sozial Schwächere und Ausländer herziehen:
«Ab der Station Kleinhüningen ist das Tram mittlerweile zu jeder Tageszeit voll mit schlecht angezogenen Schnäppchenjägern, die alles über die Grenze schleppen, was nicht niet- und nagelfest ist. An einen Sitzplatz ist selbst ausserhalb der Stosszeiten schon gar nicht mehr zu denken, doch weitaus prekärer sind neben den Buggys der kinderreichen Kopftuchträgerinnen ihre bis zum Anschlag mit Hammelfleisch voll gepackten Einkaufswagen, über deren Räder man ständig zu stolpern droht. (…) Fehlen nur noch ein paar BVB-Mitarbeiter mit weissen Handschuhen, die den Schnäppchenjäger-Plebs ins Tram quetschen.
Auf Dauer tut sich das doch kein normaler Mensch an: Während man zur Arbeit will, schmatzt die vierfache Mutter im Lonsdale-Pullover ihre Fischknusperli mit Tartarsauce von Nordsee. Ihre Meute quengelt und wühlt in den grossen Aldi-Taschen – die Tiefkühlfertiggerichte darin reichen wahrscheinlich knapp für die nächsten zwei Tage» (BaZ 29.12.2014).
Wie soll man das bezeichnen, wenn nicht als hetzerisch? Gleichzeitig wettert der Chefredaktor ständig gegen die Eliten, die angeblich die kleinen Leute verachten. Liest er eigentlich sein eigenes Blatt nicht?
Wenn’s noch grundsätzlicher werden soll, darf immer mal wieder der ehemalige Textchef Eugen Sorg ran an den Menschenrechts-Speck. Als Donald Trump nach den Brüsseler Terroranschlägen in diesem Frühjahr zum wiederholten Mal seine Folter-Optionen ins Spiel brachte und verkündete, er würde «Waterboarding und vieles mehr» wieder legalisieren, denn «Folter funktioniert», sekundierte Sorg frei von Scheu und Scham:
«Weitere Anschläge islamischer Todessekten werden folgen. Spätestens nach dem sechsten oder siebten werden auch die pazifistischen europäischen Eliten ernsthaft über Trumps Brachialmethodik nachzudenken beginnen. Moral und Schönheit sind wichtig. Aber das eigene Überleben geht vor» (BaZ 29.3.2016).
Das ist Ermunterung zur Folterpraxis. So werden Menschenrechtsstandards unterminiert, Tabubrüche salonfähig gemacht. Klar, Debatten anzureissen gehört heute – nach der korrekten Informationsvermittlung und ‑einordnung – zu Recht zum Ehrgeiz jeder anspruchsvollen Zeitung. Soll es dabei aber keinerlei Grenzen geben? Kann alles, so schrill, primitiv und würdeverletzend es auch sei, zum «Diskurs» verklärt werden? Todesstrafe – ja bitte? Menschenrechte – nein danke? Gleichberechtigung – braucht’s das denn wirklich? Wie weit hinter die Aufklärung sollen die gesellschaftlich relevanten Diskussionen zurückgepuscht werden? Und wem soll das nützen? Dem Blocher-Biographen Somm und seinen Brotgebern geht es in erster Linie genau um diese Ausweitung der Kampfzone. Man soll wieder ungehindert auf Minderheiten und Benachteiligte eindreschen können. Das ist das Gegenteil von liberal. Man wird sich Gedanken machen müssen, wie der Begriff der Liberalität gegen die Schein-Liberalen vom Aeschenplatz zu verteidigen ist.
Sexismus als journalistischer Alltag
Eine weitere Konstante der Somm-BaZ ist ihre Frauenfeindlichkeit. Da ist immer noch ein Zwick mehr an der Geissel. Zum Rücktritt von Bundesrätin Micheline Calmy-Rey schrieb Somm:
«Micheline Calmy-Rey, die am Mittwoch ihren Rücktritt als Bundesrätin auf Ende Jahr bekannt gegeben hat, hinterlässt eine Ruinenlandschaft, deren Krater und verbrannte Erde noch jahrelang zu besichtigen sein werden. Kaum ein Magistrat hat die Stellung der Schweiz in der Welt mehr untergraben, keine Aussenministerin den Ruf dieses Landes nachhaltiger erschüttert.» Sie hinterlasse, schreibt Somm, «in ihrem Feld, der Aussenpoltik, eine Spur der Zerstörung» (BaZ 8.9.2011).
Die Charakterisierungen von Eveline Widmer-Schlumpf, Simonetta Sommaruga oder der Basler Finanzdirektorin Eva Herzog fallen regelmässig ähnlich masslos überzogen und despektierlich aus. In einem ganzseitigen Interview mit der Gender-Professorin Andrea Maihofer versucht Somm hartnäckig, deren Fachgebiet lächerlich zu machen, und behauptet unter anderem dumm-dreist: «Es gibt sicher kaum männliche Geschlechterforscher, und wenn, dann sind sie homosexuell» (BaZ 14.9.2011). – Als Federica Mogherini, die Aussenbeauftragte der EU, anlässlich der Brüsseler Attentate die Tränen nicht zurückhalten kann, ist das Somm ein abgrundtief verächtliches Charakterbild über mehr als 10’000 Zeichen wert. (BaZ 26.3.2016) Für dümmliche Blödeleien und offen sexistische Ausfälligkeiten im Lokalteil hat Textchef Michael Bahnerth regelmässig freien Auslauf.
Wovor haben diese starken Männer Angst? Natürlich vor nichts. Der Klimawandel ist in der BaZ eine Legende, Fukushima eine «eingebildete Katastrophe» (BaZ 27.2.2016), wegen Tschernobyl ist laut Somm kein einziger Mensch umgekommen. Dafür fordert der Kriegstreiber vom Zürichsee den Staat Israel mutig zum Präventivschlag gegen den Iran auf. Die Parallelen zur Mentalität eines Donald Trump sind durch alle Themenbereiche hindurch unverkennbar. Diese Liebe zu den grossen, starken, mächtigen – und reichen – Männern. Markus Somm lebt schreibend einen Bubentraum aus.
Somms Lieblinge: Von Sarrazin zu Trump
Seinen ersten Leitartikel widmete er dem «brillanten Kopf» Thilo Sarrazin und dessen fremdenfeindlichen, tendenziell rassistischen Tiraden, die er vollumfänglich zu rechtfertigen suchte (BaZ 31.8.2010). Der Text gipfelte in dem Satz: «Nicht Redeverbote schützen die Demokratie, sondern das freie Wort für jeden – ganz gleich, wie höflich oder unanständig es vorgetragen wird.» Die freie Fahrt für Unanständigkeit beweist die BaZ seither täglich. Und die Freude an Widersprüchlichkeiten ebenso. Einfachheitshalber unterstellte Somm den Sarrazin-Gegnern, sie würden Redeverbote aufstellen. Sie machten aber nichts anderes, als das Recht der Gegenrede in Anspruch zu nehmen. Somms Kommentar ist in sich unlogisch, er verbietet andern, was er für sich und Sarrazin als den wahren Robin Hoods des freien Wortes zu verteidigen vorgibt.
Sein – bisher – letztes Wort zum Sonntag widmete Somm unter dem Titel «Er kann nicht anders, er muss. Deshalb scheitert er» einmal mehr Donald Trump (BaZ 22.10.2016). Es ist ein Meisterwerk der Rabulistik. Es scheint den Autor fast zu zerreissen, dass er seine Faszination für den Immobilienmogul und Möchtegern-Präsidenten nicht ungebremst freisetzen kann. Er adelt ihn einerseits zu einem «Genie des Instinkts» und bezeichnet ihn andrerseits als «Spinner». Er nennt ihn einen «Mann, der immer zum falschen Zeitpunkt das Richtige sagt, und zur rechten Zeit das Falsche». Und dann hebt Somm endgültig ab:
«– nur ein solcher Mann war überhaupt imstande, eine der grössten und wohl folgenreichsten politischen Bewegungen im Westen auszulösen. Es ist eine Rebellion im Gang. Ein Regime und seine Elite werden gerade gestürzt, auch wenn die Betroffenen das noch nicht bemerkt haben. (…) Sie alle ahnen nicht, wie es in der Bevölkerung brodelt. Nicht bloss im Mittleren Westen Amerikas, nicht bloss in Mecklenburg-Vorpommern oder in den zerstörten Städten Frankreichs oder den Hochburgen des Brexit, sondern überall, wo Menschen leben, die sich zu Recht um ihre Stimme betrogen fühlen. Lange lassen sie sich das nicht mehr gefallen.»
Und drohend dröhnend geht’s mit dem stockkonservativen Revolutionsromantiker Somm ins Finale wie ins letzte Gefecht:
«Trump war erst der Anfang. Sollte er nicht gewinnen, wonach es derzeit aussieht, wird ein anderer folgen, vielleicht noch ungehobelter, vielleicht gefährlicher, vielleicht aber auch klüger. Es ist ein Dilemma: Er konnte nicht anders, er musste so, und doch bleibt er der richtige und falsche Mann zur gleichen Unzeit. Die Revolution frisst ihr Kind.»
Aber hallo? Donald Trump als Vorkämpfer für die Entrechteten? Der skrupellose Milliardär und Egomane als Vorhut einer Revolution der einfachen Leute? Das klingt einigermassen bizarr. Aber solche seltsamen Volten haben Somm noch nie gestört. An welchen Sound erinnern denn diese Worte? «Ich will ja gar nicht, aber ich muss, ich kann nicht anders, es ist mein Auftrag, meine Mission, sie gilt es zu erfüllen.» So tönt doch Übervater Christoph Blocher, wenn er sich aufopfernd für das Amt des Bundesrates zur Verfügung stellt, wenn er die Rettung der Schweiz schultert, wenn er unser aller Untergang im grossen populistischen Aufbäumen verhindert.
Und so tönt es eben auch, wenn Missionar Somm vom Basler Stimmvolk zum wiederholten Mal abgewählt worden ist. Seine Mission ist gescheitert, aber noch muss er ausharren, bis einer den Bettel aufkauft. Als publizistisches Projekt wäre die BaZ schon längst falliert. Die Hälfte der Leserschaft verloren, vom Presserat mit zahllosen Verweisen wegen Verstössen gegen die journalistischen Standesregeln gemassregelt, ein permanenter Abgang der qualifizierten Mitarbeiter – kein normaler Chefredaktor hätte das je überlebt. Das Spiel ist aus, aber im Keller und in den Garderoben wird jetzt noch eine Zeitlang gepfiffen und gepöbelt.
Alfred Schlienger**
*Infosperber greift Beiträge aus Medien auf und widerspricht aus politischen, journalistischen, inhaltlichen oder sprachlichen Gründen. Ob Analyse, Sprachkritik oder Statement — kontertexte sind undogmatische Einwürfe, die Publiziertes ernst nehmen, ohne selber dem Ernst ganz zu verfallen.
**Alfred Schlienger, Theater- und Filmkritiker, u.a. für die NZZ; ehem. Prof. für Literatur, Philosophie und Medien an der Pädagogischen Hochschule; Mitbegründer der Bürgerplattform RettetBasel!; lebt in Basel.
Franz Büchler
Jan. 9, 2017
• In der Regel meiden wir Leute die keinen Anstand haben, Anstand zeigen, oder wir verlangen von ihnen Respekt.
• Wenn alle, die über Somm und die BloZ schimpfen, ihr Abo auch wirklich künden würden — und nicht immer wieder nur vorgeben, diese Zeitung nur zu haben, weil sie orientiert sein wollen und der Kulturteil so wahnsinnig gut sei — ja dann gäbe es dieses Hetz- und Hassblatt gar nicht mehr.
Herr Somm und seine paar Adlaten ständen alleine da.
• Und man könnte dann erleichtert sagen (nach Carolin Emcke):
»Allein ist niemand einzigartig, sondern nur allein.«