Nun läuft also eine Abstimmungsbeschwerde gegen die Abstimmung vom 9. Februar 2014, vorsorglich eingereicht, damit keine Verjährung eintritt. Ebenfalls läuft wohl demnächst eine Verhandlung gegen SVP-Generalsekretär Martin Baltisser und dessen Stellvertreterin Silvia Bär. Es geht um das links klein abgebildete Inserat, das in der Kampagne zur MEI (Masseneinwanderungsinitiative) recht viel Staub aufgewirbelt hat.
Die Begründung des Klägeranwalts: »Wer mit rassendiskriminierenden Mitteln auf Stimmenfang geht und damit das direktdemokratische System pervertiert, verletzt in fundamentaler Weise die rechtsstaatliche Grundordnung«, erklärte Gibor. Dieser Verfassungsbruch dürfe nicht hingenommen werden. Deshalb müsse die Abstimmung über die Masseneinwanderungsinitiative für ungültig erklärt werden.
Der Erfolg dieser Klage ist aber recht unwahrscheinlich, das Bundesgericht steht in dieser Frage in der Regel eher auf der Seite der Abstimmungsgewinner …
Dafür ist aber ein weiterer Anlauf zu einer Korrektur unterwegs. Die Initiative gegen die MEI (Masseneinwanderungsinitiative). Das Bürgerkomitee RASA (Raus aus der Sackgasse) hat seine Volksinitiative vorgestellt. Damit soll der Artikel 121a aus der Bundesverfassung gestrichen werden. So: 121a. Der Text ist ganz einfach:
»Die Bundesverfassung wird wie folgt geändert : Art. 121a und 197 Ziff. 11 aufgehoben«
Was darauf folgte war das grosse Schimpfen:
• NZZ: »Fraktionschef Adrian Amstutz (SVP) taxiert das Projekt als «Missachtungs-Initiative» und wirft den Initianten vor, sie wollten den Volkswillen mit Füssen treten.«
• Philipp Müller (FDP) wünscht den Initianten viel Glück zu diesem Himmelfahrtskommando.
• Es werde die Demokratie mit Füssen getreten, der Volkswille werde missachtet, Verachtung des Souveräns, etc., etc., war darauf zu hören.
Wenn wir uns die Sache etwas genauer anschauen, sehen wir aber bald, dass die Masseneinwanderungsüberfremdungsstoppderüberbevölkerungsinitianten in den letzten 45 Jahren nichts anderes gemacht haben.
In den letzten 45 Jahren waren nicht weniger als 14 Initiativen unterwegs. Genau eine hat es mit dann 50,3% endlich geschafft. So nach dem Prinzip »Steter Tropfen höhlt den Stein«. Man muss den Menschen nur lange genug sagen, dass ihre Arbeitsplätze, ihr Wohnraum, ihre Lohnhöhe und ihre allgemeine Sicherheit in Gefahr seien, vom Dichtestress nicht zu reden — und irgendwann glauben sie es schon:
1968 Zurücknahme der ersten Überfremdungs-Initiative.
1970 Volksinitiative gegen die Überfremdung (Schwarzenbach-Initiative) wird abgelehnt. Ja-Stimmenanteil: 46%.
1974 Initiative “gegen Überfremdung und Überbevölkerung” wird abgelehnt. Ja-Stimmenanteil: 34,2%
1977 “4. Überfremdungs-Initiative” wird abgelehnt. Ja-Stimmen-Anteil: 29,5%.
1984 Volksinitiative “gegen den Ausverkauf der Heimat” abgelehnt. Ja-Stimmenanteil: 48,9%
1987 Überfremdungs-Initiative kommt wegen ungenügender Unterschriften nicht zustande.
1988 Initiative »für die Begrenzung der Aufnahme von Asylanten« scheitert im Sammelstadium.
1988 Initiative “für die Begrenzung der Einwanderung” wird verworfen . Ja-Stimmenanteil: 32,7%
1996 Initiative «für eine vernünftige Asylpolitik» wird ungültig erklärt.
1996 Initiative “gegen illegale Einwanderung” wird abgelehnt. Ja-Stimmenanteil 46,3%.
1997 Initiative “Masshalten bei der Einwanderung” scheitert im Sammelstadium.
2000 Initiative “für eine Regelung der Zuwanderung” (18%-Initiative) abgelehnt. Ja-Stimmen-Anteil von 36,2%
2014 Volksinitiative “gegen Masseneinwanderung” wurde mit knapp über 50,3% Ja-Stimmen angenommen
2014 Initiative »Stopp der Überbevölkerung – zur Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen« abgelehnt. Ja-Stimmenanteil 25,9%
Das Schweizer Volk hat zu den folgenden Bilateralen Verträgen und Verwandtem Ja gesagt, die SVP hat mit einer einzigen Initiative den Volkswillen von 5 Volksabstimmungen ausgehebelt:
Mai 2000: Bilaterale Verträge 1, angenommen mit 67,2% Ja-Stimmen
Juni 2005: Schengen- und Dublin-Abkommen, angenommen mit 54,6 % Ja-Stimmen
September 2005: EU-Erweiterung (Freizügigkeit mit neuen EG-Staaten), angenommen mit 56% Ja-Stimmen
November 2006: Erweiterungsbeitrag und Osthilfe, angenommen mit 53,4% Ja-Stimmen
Februar 2009: Erweiterung auf Bulgarien und Rumänien, angenommen mit 59,62% Ja-Stimmen
Aber das Wiederkommen alle paar Jahre mit neuen Überfremdungsgeschichten und Anverwandtem, das Missachten der Annahme der Bilateralen war weder Missachtung des Volkswillen, noch mit Füssen treten der Demokratie, es war einfach eine bauernschlaue SVP Partei-Initiative.
Und wenn nun besorgte Bürgerinnen und Bürger eine tatsächliche Volksinitiative starten, wird auf sie eingedroschen.
Ich finde, man sollte diesen Leuten eine Chance geben und die Initiative unterschreiben. Was immer dann auch abgestimmt wird. Es ist die Möglichkeit, einen dünnen Entscheid zu stärken — oder aber bachab zu schicken.
Grund für GegnerInnen und BefürworterInnen die Initiative zu unterschreiben.
Als wahrhafte Volksinitiative, jedenfalls besser als eine Partei-Initiative!
Übrigens: In Australien, Neuseeland und den USA werden derartige Sackgassen mit der Signaltafel DEAD END angeschrieben!
Unterschriftsbogen bekommen Sie hier.
Und die Weisheit zum Artikel:
»Doch solange die Beziehungen zur EU in den Händen
nationalistischer Demagogen bleiben, nagt Unsicherheit an der Moral derer, die dem Land dienen, so gut es geht.«
Joëlle Kuntz
Franz Büchler
Apr 30, 2015
In der Verhandlung in Sachen »Schlitzer-Inserat« wurden Martin Baltisser und Silvia Bär wegen Rassendiskriminierung verurteilt. Ob das Urteil weitergezogen wird, ist noch nicht klar.
Laut teletext liess die Partei verlauten:
»Politische Gegner der SVP haben damit erreicht, dass in der Schweiz nicht mehr gesagt werden darf, was ist.«
Na ja, passt.
Franz Büchler
Apr 13, 2017
Nun sind Baltisberger und Bär auch vor dem Bundesgericht gescheitert:
https://www.nzz.ch/schweiz/bundesgericht-zu-schlitzer-plakat-bleiben-martin-baltisser-und-silvia-baer-die-verantwortlichen-fuer-das-kosovaren-plakat-der-svp-verurteilt-ld.1086039
Im Artikel der NZZ können Sie auch das Rechtsverständnis der beiden erahnen, wenn sie begründen, warum sie sich nicht an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Strassburg wenden wollen.