Auf den ersten Blick sieht das Traktandum 2020/287 am 27. August 2020 wie ein Abnicktraktandum aus. Zumindest für die nächsten vier Jahre will der Regierungsrat an der Eignerstrategie für die Rheinhäfen festhalten, nichts ändern.
Nun, für Birsfelden hat diese Eignerstrategie des Kantons Basel-Landschaft auch eine Geschichte:
In der Beantwortung der Interpellation 2012/170 von Christoph Hiltmann zur »Bewirtschaftung der Hafenareale BL« sagt die Regierung:
»Die Schweizerischen Rheinhäfen sind beauftragt, „alle 5 Jahre einen Standbericht zur Nutzungsentwicklung der Hafenareale an die Regierungen der Vertragskantone zu verfassen“, erstmals zusammen mit dem Jahresbericht 2012.«
Der alle 5 Jahre fällige Standbericht:
Bei der Suche nach diesem Standbericht liefen wir ins Leere. Die Anfrage bei der Landeskanzlei ergab:
»Die Rahmenbedingungen für einen Standbericht zur Nutzungsentwicklung der Hafenareale haben sich seit der Interpellation kontinuierlich verändert, weshalb die SRH auf diesen Bericht verzichtet hat. Die Berichterstattung erfolgt an den Eigentümergesprächen via Umsetzungsstand der Eigentümerstrategie, über den Beteiligungsbericht sowie über die Jahresberichterstattung der SRH.«
Also kommt eine einigermassen transparente z.B. durchschnittliche Zahl für die Baurechtseinnahmen pro m2 nicht zustande. Es wird alles unter dem Deckel, respektive in Gesprächen verbandelt verhandelt.
2014 forderte Christoph Hiltmann in einer Motion »Die Rheinhäfen BS/BL brauchen eine Eignerstrategie«, mitunterzeichnet von fünf Birsfelder Landräten (ja das gabs einmal) und von Rosmarie Brunner SVP.
Die Motion wurde als Postulat überwiesen.
Es dauerte eine Weile, wie immer, bis am 1. Januar 2017 die von beiden Kantonen unterzeichnete Eignerstrategie in Kraft trat.
2018 forderte Jürg Wiedemann in einer Motion:
»Die Regierung wird beauftragt, entsprechende Verhandlungen mit Basel-Stadt und der SRH zu führen und alle notwendigen Massnahmen zu ergreifen, um die Entwicklung der Hafenareale in Birsfelden und Muttenz in obigem Sinne zu ermöglichen.«
Das heisst Wiedemann wollte höhere Baurechtszinsen. Jürg Wiedemanns Schätzung von fr. 5.27 pro m2 für die Baurechtszinsen wurde vom Regierungsrat als falsch taxiert. Sie seien um das vier- bis fünffache höher.
Wir rechnen:
Die Fläche des Auhafens in Muttenz beträgt, gemäss Website: 458’136 m² (nach Abzug der Infrastrukturflächen: Bahn & Strassen), kann man rechnerisch von einer Fläche von 400’000 m² ausgehen, welche im Baurecht abgegeben werden. Die SRH kassiert dafür einen Baurechtszins X, den wir nicht kennen dürfen.
Beide Hafenareale zusammen (Muttenz & Birsfelden) ergeben eine Fläche von: 715’369 m². In Birsfelden gehört dem Kanton Basellandschaft eine Fläche von 315’369 m².
Dafür bekommt Baselland von der SRH eine Ausschüttung (2018) von 5’064’000.- CHF. Dieser Betrag ist wasserdicht, er kann dem Rechenschaftsbericht (2018) der SRH entnommen werden.
Dies ergäbe einen Baurechtszins von 7.07 CHF/m2 p.a.
Also lange nicht das vier- bis fünffache der Wiedemann’schen Schätzung.
Was wir auch wissen:
Umschlags‑, Lagerungs- und Logistikflächen sind notorisch flächenintensiv und weisen erst noch eine geringe Wertschöpfung auf.
Das erklärt die folgenden Zahlen für Baurechtszinsen, die uns ein bekannter und erfahrener Spezialist für die Beurteilung von Industrie- und Gewerbeliegenschaften zur Verfügung gestellt hat (alle Zahlenangaben als BR-Zins in CHF/pa je m2 Land-/Parzellenfläche):
Oberes Baselland CHF 5
Bättwil/SO CHF 10 – 22
Reinach/Kägen CHF 22 – 38
Dreispitz CHF 39 – 45
Kleinhüninger Hafen CHF 21
Birsfelder Hafen CHF 22 – 23
Wir stellen fest,
dass der Kanton Basel-Landschaft mit den beiden Industriearealen das Dreifache, nämlich rund 21 Mio. erwirtschaften könnte.
D.h. seit Jahren verschenkt der Kanton Geld. Effektiv verzichtet BL aktuell auf jährlich rund 14 Mio. Franken. Dabei umgeht der Kanton die demokratischen Prozesse und delegiert das Geschäft mit den Baurechten an die SRH.
Und nun 2020 sagt der Regierungsrat:
»4.2.3.Eigentümerstrategie Schweizerische Rheinhäfen (SRH)Bei den SRH handelt es sich gemäss Rheinhafen-Vertrag(Staatvertrag zwischen den Kantonen Basel-Landschaft und Basel-Stadt) um eine bikantonale Beteiligung. Die Eigentümerstrategie ist entsprechend ein bikantonales Dokument, welches zwischen der VGD, dem WSU (Departement für Wirtschaft, Soziales und Umwelt) des Kantons Basel-Stadt und den SRH in einem iterativen Prozess entwickelt und im Januar 2017 von den beiden Regierungen beschlossen wurde. Die strategischen Ziele fokussieren insbesondere auf Vorgaben zur Entwicklung der Region und der Logistikbranche, zur Förderung der Binnen-Grossschifffahrt als kostengünstiger und ökologischer Verkehrsträger von nationaler Bedeutung und zu effizienten und verkehrsübergreifenden Umschlagsmöglichkeiten. Bei den wirtschaftlichen Zielen ist eine angemessene Eigenkapitalquote zu erwirtschaften, der Werterhalt der Beteiligung sicherzustellen und es sind die bewährten ökonomischen Grundsätze wie Kosteneffizienz, Produktivität, Prozessoptimierung etc. zu berücksichtigen. Die Vorgaben zur Leistungserbringung und Aufgabenerfüllung konzentrieren sich auf diverse Elemente bezüglich der Baurechte und der Baurechtszinsen.Die Zieleaus dem Jahr 2017 haben nach wie vor ihre Gültigkeit, weshalb die Eigentümerstrategie für die nächsten 4 Jahre Anwendung findet.«
Also abnicken und alles bleibt beim Alten?
Vielleicht könnten ja die Landräte und Landrätinnen von Birsfelden und Muttenz einmal gemeinsam etwas unternehmen um in dieser Sache Transparenz zu schaffen?
Sie könnten sich ausnahmsweise einmal überparteilich ins gleiche Boot setzen und in die gleiche Richtung rudern!
Sie könnten zum Beispiel fordern, dass in der Eigentümerstrategie eine Verpflichtung der SRH eingebaut wird, jährlich den durchschnittlich erzielten Ertrag aus den Baurechtszinsen pro m2 und Hafen für die Öffentlichkeit publiziert wird!
Bilder: Titel Franz Büchler, Ruderer Christoph Meury
Christoph Meury
Aug 20, 2020
Eine Eignerstrategie ist eine schöne Sache. Ein erster Schritt in die richtige Richtung, würde man meinen. Das Papier bleibt aber im vorliegenden Fall ein hübscher Papiertiger. Eine Beruhigungspille für die Politik. Die Verwaltung ist offensichtlich seit Jahren überfordert, oder nicht willens, die Vorgaben der Eignerstrategie im Alltag umzusetzen.
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Auf den einfacher Nenner gebracht heisst das, dass die Verwaltung der SRH endlich den klaren (und nicht diskutierbaren) Auftrag erteilen muss: a) die Baurechtszinsen im Hafenareal einzeln und transparent auszuweisen, b) jeden Baurechtszins zu überprüfen, ob er (wie das Papier vorschreibt) marktüblich ist und c) alle Baurechtszinsen subito der Marktsituation anzupassen. Die Politik muss kontrollieren und einfordern, was sie auf dem Papier verlangt.
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Wir wissen zwischenzeitlich, dass die Baurechtszinsen im Hafenareal viel zu tief sind. Wir wissen, dass der Kanton ein Mehrfaches für den Boden erhalten müsste.
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Absurd ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Verwaltung statistisch jeden Privatverkauf von Grundstücken bei Einfamilienhäusern erfasst und als einsehbare Statistik publiziert. Gewerbeareale & Gewerbeliegenschaften sind aber für die Statistiker ein Staatsgeheimnis und werden statistisch nicht erfasst. Daher blüht hier eine staatlich sanktionierte Grauwirtschaft. Davon profitieren Unternehmer im Hafenareal. Es ist die Verwaltung, welche bewusst intransparent ist, um die Machenschaften der SRH zu verwedeln. Es kann nicht das Ziel einer Volkswirtschaft sein, Logistikfirmen und global agierende Mineralölhändler dauerhaft zu subventionieren, indem man ihnen Areale zu Minipreisen zuhält.
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Daher: Eine Eignerstrategie ist nur etwas wert, wenn die SRH auf Herz & Nieren überprüft wird, es ein einsehbares Controlling gibt und die Baurechtszinsen einzeln ausgewiesen werden. Das wäre die Grundlage, um die Baurechtszinsen endlich auf das Niveau von marktüblichen Baurechtszinsen — die Fachleute gehen von 22.- /m2 pa aus — anzuheben und damit die Abgaben der SRH an den Staat massiv zu erhöhen. Zudem ist es ein Unsinn, dass die Abgaben sich am Geschäftsgang der SRH orientieren. Die Abgabe muss eine fixe Grösse sein. Jede MieterIn weiss, dass sich ihre Miete nicht am aktuellen Einkommen misst, sondern ein einmalig fixierter Beitrag darstellt, der sich nur indexiert verändert.
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Wir sehen: Die Politik ist gefordert! Abnicken war gestern.
Christoph Meury
Aug 20, 2020
Kleiner Nachtrag: Was mich bei PolitikerInnen ärgert.
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Verinnerlicht man sich nochmals die Voten der bürgerlichen PolitikerInnen während den Debatten über den Umgang mit SozialhilfebezügerInnen, dann reden die sich oft & rasch in Rage, reden von fehlenden Anreizsystemen, Sanktionen bei renitenten SozialhilfeempfängerInnen, etc.
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Reden wir über die lasche Hafenbewirtschaftung der SRH, wollen die gleichen bürgerlichen Landräte nichts wissen von einem Anreizsystem. Da darf die SRH draufloswursteln und die Bauparzellen freihändig und auflagenfrei vergeben, unsere PolitikerInnen üben sich im Wegschauen. Das vorliegende Strategiepapier verzichtet vollumfänglich auf ein Anreizsystem.
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Werden die «Auflagen«, welche das Strategiepapier skizziert nicht eingehalten passiert ebenfalls gar nichts. Im Gegenteil: Eine Verlängerung des Vertrages/Strategiepapiers wird vom Landrat durchgewunken.
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Controlling: Fehlanzeige! Man stützt sich auf den Rechenschaftsbericht der SRH. D.h. die SRH kontrolliert sich selber. Ein Zirkelschluss! Man darf dem Landrat dabei durchaus unterstellen seine Aufsichtspflicht nicht wahrgenommen zu haben. Aber eben: Wer kontrolliert das Parlament? Die Presse übt sich derweilen wieder in Hofberichterstattung und gepflegtem Wegschauen. Alles paletti!