Der Plan Des­ka­hehs, dem eng­li­schen König sei­ne Peti­ti­on per­sön­lich über­rei­chen zu kön­nen, zer­schlug sich rasch: Geor­ge V. befand sich auf Bal­mo­ral Cast­le in Schott­land. Dann wenigs­tens des­sen Thron­fol­ger, den Prinz of Wales. Fehl­an­zei­ge. Oder den drit­ten Sohn des Königs, den Duke of Connaught. Fehl­an­zei­ge. Oder wenigs­tens den Pre­mier. Gleich noch­mals Fehlanzeige.

Wie wei­ter? Vor­spre­chen im Colo­ni­al-Office, das für das Domi­ni­on Kana­da zustän­dig war. Der ers­te Sekre­tär lei­der unab­kömm­lich, aber immer­hin die Bereit­schaft des Unter­staats­se­kre­tärs, das Anlie­gen Des­ka­hehs, Eng­land möge sein Ver­spre­chen ein­hal­ten, an den Kolo­ni­al­mi­nis­ter Win­s­ton Chur­chill weiterzuleiten.

Wie wei­ter? Sich an die Öffent­lich­keit wen­den! Des­ka­heh liess sei­ne Peti­ti­on mit der For­de­rung der Aner­ken­nung der Six Nati­ons als selb­stän­di­ges Staats­we­sen dru­cken und an die Zei­tun­gen schi­cken, — mit Erfolg:

Ein Wer­be­agent will für sie einen Auf­tritt orga­ni­sie­ren, vor mög­lichst vie­len Men­schen. Er schlägt die Büh­ne des Hip­po­dro­me vor, ein Thea­ter und Musik­saal im Stadt­be­zirk West­mins­ter. Da könn­te der India­ner in einer Pro­duk­ti­on, die sich “The Peep Show” nennt, auf­tre­ten. Des­ka­heh sagt zu.
Der Komi­ker Char­ly Chap­lin ist schon vor Jah­ren auf die­ser Büh­ne auf­ge­tre­ten. Ver­mut­lich hat auch das Mohawk-Mäd­chen White Deer hier getanzt … Als jun­ge Frau hat­te sie eine inter­na­tio­na­le Kar­rie­re im Show­busi­ness gestar­tet. War in der Welt her­um­ge­kom­men. Hat­te einen Mann gehei­ra­tet, der angeb­lich ein rus­si­scher Graf war, und nann­te sich seit­her Prin­zes­sin. Im kur­zen Fran­sen­röck­chen tanz­te sie mit wir­beln­den Mes­sern und mit Pfeil und Bogen. 
In die­sem Thea­ter also will der India­ner-Chief spre­chen. Aus­drück­li­che Anwei­sung: Des­ka­heh soll sei­ne Rega­li­en tra­gen: Hirsch­le­der­wams, Feder­schmuck und um die Brust den Wam­pum. (Wil­li Wott­reng, Ein Iro­ke­se am Genfersee)

Des­ka­heh, der ohne Manu­skript frei sprach, mach­te offen­bar gewal­ti­gen Ein­druck. Er durf­te sogar dem Prinz of Wales in sei­ner könig­li­chen Loge sei­ne Auf­war­tung machen und einen Vor­trag in der “Anti-Slavery and Abori­gi­nes’ Pro­tec­tion Socie­ty” halten.

Voll neu­er Hoff­nung kehr­ten Des­ka­heh und sein Anwalt Decker schliess­lich heim. Doch dann kam die kal­te Dusche: Kolo­ni­al­mi­nis­ter Win­s­ton Chur­chill liess erklä­ren, die gan­ze Ange­le­gen­heit lie­ge in der aus­schliess­li­chen Kom­pe­tenz der kana­di­schen Regierung.

Zurück auf Feld eins …

Inzwi­schen hat­te in Kana­da die Regie­rung gewech­selt. Der neue Innen­mi­nis­ter Charles Ste­wart schlug vor, in die­ser Fra­ge ein Schieds­ge­richt ein­zu­set­zen, — mit kana­di­schen Rich­tern. Auf die For­de­rung Des­ka­hehs, auch bri­ti­sche Rich­ter ein­zu­be­zie­hen, woll­te er nicht ein­tre­ten. Pattsituation.

Irgend­wann um die­se Zeit kam Anwalt Geor­ge P. Decker die Idee, sich an den vor kur­zem gegrün­de­ten Völ­ker­bund zu wen­den. Aber woher soll­te das Geld für das Unter­neh­men kom­men? Und waren die Six Nati­ons über­haupt berech­tigt, dort mir ihrer Kla­ge vor­stel­lig zu wer­den? Der Coun­cil der Chiefs im Lang­haus zögerte.

Doch dann kam es im Dezem­ber 1922 zu einem Eklat:
Eine Ein­heit Berit­te­ner dringt ins Ter­rain der Six Nati­ons ein. Roy­al Moun­ted Poli­ce, das ist die Bun­des­po­li­zei, in rotem Waf­fen­rock und mit breit­krem­pi­gen Hüten. Unter­stützt wird sie von einer Mili­tär­ein­heit aus der nahen Stadt Brant­ford, den soge­nann­ten Duf­fe­rin Rif­les.  … Die Moun­ties drin­gen in die unge­heiz­ten Häu­ser ein, die sie auf einem Plan mar­kiert haben. und irgend­wann ist eine Schies­se­rei zu hören. Ein India­ner wehrt sich. Er wur­de vors Gericht gela­den und ist dort nicht erschie­nen. Die Uni­for­mier­ten schla­gen auf sei­nen Kopf ein. Der Mann wird die fol­gen­den Näch­te im Gefäng­nis in der Stadt verbringen.
War­um sie schies­sen wür­den, fragt ein Chief den Ein­satz­lei­ter. Der spricht von Bedro­hung. Er habe Infor­ma­tio­nen erhal­ten vom Büro für india­ni­sche Ange­le­gen­hei­ten, dass fünf­zig Rot­häu­te mit Geweh­ren aus­ge­rüs­tet sei­en und bereit, gegen die lega­le Poli­zei vor­zu­ge­hen. “Die Zeit der heroi­schen India­ner ist vor­bei, Chief”, sagt der Berit­te­ne. “Jetzt fresst ihr Staub”.

Des­ka­heh pro­tes­tier­te umge­hend: “Zum Zweck, die Selbst­re­gie­rung der Six Nati­ons zu unter­gra­ben, hat die Domi­ni­on-Regie­rung ohne recht­li­che Grund­la­ge eine Kriegs­hand­lung gegen die sechs Natio­nen verübt.”

Als die Moun­ted Poli­ce in Ohs­we­ken, dem Haupt­ort im Grand River-Ter­ri­to­ri­um, einen per­ma­nen­ten Stütz­punkt errich­te­ten, kam der tra­di­tio­nel­le Coun­cil der Chiefs auf den Vor­schlag Deckers zurück. Und er fand sogar Unter­stüt­zung von der Mehr­heit der christ­li­chen Chiefs. 5000 Dol­lar wur­den zusam­men­ge­kratzt: Bahn frei für die “Ope­ra­ti­on Völ­ker­bund”. Dazu mehr in der nächs­ten Fol­ge wie immer

am kom­men­den Don­ners­tag, den 6. Okto­ber.

P.S. Wer die gan­ze span­nend und aus­führ­lich erzähl­te Geschich­te von Des­ka­heh ken­nen­ler­nen möch­te, dem sei das Buch von Wil­li Wott­reng, auf dem die­se Fol­ge basiert, wärms­tens empfohlen!

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Mattiello am Mittwoch 22/39
Die Reichsidee 56

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