Was Jack For­bes unter “sei­nen eige­nen Weg gehen” meint, — im Gegen­satz zu irgend einem dog­ma­ti­schen Glau­bens­be­kennt­nis -, illus­triert er am Bei­spiel der Leh­re des Gaut­ama Buddha:
Vor mehr als 2500 Jah­ren lehr­te Sid­dar­tha (Bud­dha), daß die Men­schen aus der Wéti­ko-Krank­heit und ande­ren Miß­stän­den in ein befrie­di­gen­des Leben aus­bre­chen könn­ten, indem sie einen indi­vi­du­el­len Weg gehen, frei von Dog­ma­tis­mus, Sek­tie­rer­tum, Gier und »orga­ni­sier­ter Reli­gi­on« der übli­chen Art.

Reli­giö­ses Leben hängt nicht von der Leh­re, daß die Welt ewig währt, ab, noch hängt reli­giö­ses Leben … von der Leh­re ab, daß die Welt nicht ewig währt. Und selbst wenn das Dog­ma bedeu­tet, daß die Welt ewig ist, so blei­ben doch Geburt, hohes Alter, Tod, Trau­er, Kla­gen, Elend, Kum­mer und Ver­zweiflung, für deren Ver­nich­tung im gegen­wär­ti­gen Leben ich etwas ver­schrei­ben will.

Die Beto­nung liegt auf »wie man in die­sem Leben lebt«, und dies soll­te man im Gedächt­nis behal­ten, in einer Welt, in der christ­li­che Mis­sio­na­re mit­ein­an­der strei­ten, ob bei der Tau­fe der gan­ze Kör­per oder nur ein Teil des Kör­pers ins Was­ser getaucht wird, in der Mos­lem-Sek­ten gegen­ein­an­der Krieg füh­ren, in der Wis­sen­schaft­ler enor­me Men­gen Steu­er­gel­der ver­schwen­den, um künst­li­ches Leben zu schaffen oder den Welt­raum zu erfor­schen oder neue Waffen zu erfin­den, und in der Aka­de­mi­ker ihr Leben dem Zank über abs­trak­te Theo­rien wid­men, die mit dem Leid der Men­schen nichts zu tun haben. Kei­nes die­ser Din­ge hilft uns, die grund­sätz­li­chen Fra­gen des mensch­li­chen Lebens zu beantworten …

For­bes sieht durch­aus Par­al­le­len zwi­schen der indi­ge­nen Welt­sicht und der bud­dhis­ti­schen Haltung:
Es fällt auf, daß sowohl der tra­di­tio­nel­le Bud­dhis­mus als auch die Nati­ve Ame­ri­can-Reli­gio­nen dahin ten­die­ren, die Theo­lo­gie außer acht zu las­sen, viel­leicht teil­wei­se des­halb, weil die theo­re­ti­sche Unter­su­chung eines Got­tes unmög­lich, zumin­dest aber anma­ßend ist, aber auch, weil solch eine Beschäf­ti­gung die Bewäl­ti­gung der Pro­ble­me mit die­sem Leben immer noch dem ein­zel­nen Indi­vi­du­um über­läßt. Die Lako­ta zum Bei­spiel stel­len sich Uakan tanka (der Gro­ße Hei­li­ge oder das Geheim­nis) nicht als eine ein­zel­ne, indi­vi­du­el­le Macht vor, son­dern eher als eine geheim­nis­vol­le, sich ent­fal­ten­de Kollektivität-in-Einheit (…)

Gaut­ama bestand dar­auf, daß jeder Mensch sei­nen eige­nen Weg gehen soll­te, da die Erleuch­tung ein per­sön­li­ches, für jedes Indi­vi­du­um ein­ma­li­ges Erleb­nis ist. »Des­halb … seid eure eige­nen Fackeln. Ver­laßt euch auf euch selbst und nicht auf Hil­fe von außen.« (E. A. Burtt, The Tea­chings of the Com­pas­sio­na­te Bud­dha) Auch Black Hawk glaub­te, »daß jeder sei­nen eige­nen Weg gehen muß (Black Hawk, Autobiography)

Aber auch der Weg des Gaut­ama Bud­dha kann sich ver­fla­chen in ein ober­fläch­li­ches Aus­üben von Zere­mo­nien oder sich in eine intran­si­gen­te und gewalt­tä­ti­ge Sek­te wan­deln, wie die Ereig­nis­se in Myan­mar zeig­ten. For­bes nimmt von die­ser Fehl­ent­wi­ckung auch die west­li­che Zivi­li­sa­ti­on, die sich christ­lich nennt, nicht aus:
Eine Wéti­ko-Gesell­schaft trach­tet danach, so scheint es jeden­falls, ihre Men­schen, mit Aus­nah­me eini­ger weni­ger, davon abzu­hal­ten, ihrer eige­nen geis­ti­gen Erfül­lung nach­zu­ge­hen, da Wirt­schaft und Poli­tik nach Mas­sen von Arbei­tern ver­lan­gen, die ein geord­ne­tes, vor­her­sag­ba­res und angepaß­tes Leben füh­ren. »Gehor­sam« ist das Ziel, nicht die wirk­li­che »Ret­tung«. Müßig zu erwäh­nen, daß die Ent­wick­lung der römisch-katho­li­schen Kir­che und der grie­chi­schen Ortho­do­xie sowie der meis­ten For­men des Pro­tes­tan­tis­mus mit dem oben Erwähn­ten nahe­zu iden­tisch ist und aus glei­chen Moti­ven geschaffen wurde.

Dass For­bes mit die­ser Ansicht durch­aus einen wun­den Punkt in der spi­ri­tu­el­len Ent­wick­lung des sog. “Wes­tens” trifft, macht die Erfah­rung des jüdi­schen Künst­lers Alfons Rosen­berg deut­lich, auf die der birsfaelder.li-Schreiberling andern­orts aus­führ­lich ein­ge­gan­gen ist.

Und schliess­lich holt For­bes zur Ehren­ret­tung eines Begriff aus, der bei uns auto­ma­tisch mit dem Eti­kett “pri­mi­tiv” und “über­holt” asso­zi­iert wird: Animismus!

Dazu mehr in der nächs­ten Fol­ge am kom­men­den Don­ners­tag, den 6. Juli.

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Mattiello am Mittwoch 23/26
Die Reichsidee 93

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