Im Kapi­tel Suche nach geis­ti­ger Gesund­heit: Die Umkeh­rung des Bru­ta­li­sie­rungs­pro­zes­ses macht sich For­bes auf die Suche nach einer mög­li­chen gesell­schaft­li­chen Hei­lung. Das ist kein ein­fa­ches Unterfangen:
Die Wéti­ko-Psy­cho­se — und die von ihr geschaf­fe­nen Pro­ble­me — hat vie­le Wider­stands­be­we­gun­gen und Bemü­hun­gen um Reform und Revo­lu­ti­on beschäf­tigt. Lei­der sind aber die meis­ten die­ser Bemü­hun­gen geschei­tert, da sie den Wéti­ko nicht als kran­ken Men­schen ver­stan­den haben, des­sen Krank­heit im höchs­ten Mas­se anste­ckend ist.

Die Wahr­heit die­ser Beob­ach­tung hat sich immer wie­der bestä­tigt. Um nur zwei Bei­spie­le zu nennen:
Eine Ideo­lo­gie, die sich mit der Visi­on einer “klas­sen­lo­sen Gesell­schaft” die Befrei­ung der gan­zen Mensch­heit auf die Fah­nen geschrie­ben hat, erweist sich schon bald als Sack­gas­se und führt zu zutiefst men­schen­ver­ach­ten­den poli­ti­schen Strukturen.
Befrei­ungs­kämp­fer der Drit­ten Welt ver­wan­deln sich, nach­dem sie ein­mal an die Macht gekom­men sind, ihrer­seits in bru­ta­le Macht­men­schen. Mobu­tu, Muga­be, Orte­ga, Gad­af­fi, usw. las­sen grüssen …

For­bes ver­gleicht anschlies­send die Bemü­hun­gen um die Schaf­fung einer gerech­ten Welt mit frei­en Men­schen zwi­schen dem bra­si­lia­ni­schen Päd­ago­gen Pau­lo Frei­re (1921–1997) und dem Shawnee Tecum­seh (1768–1813):
In sei­ner Päd­ago­gik der Unter­drück­ten hat Pau­lo Frei­re eine Metho­de der revo­lu­tio­nä­ren Erzie­hung beschrie­ben, um unter­drück­ten Men­schen zu hel­fen, ein kri­ti­sches Bewusst­sein zu ent­wi­ckeln, die Fähig­keit, ihre objek­ti­ven Lebens­be­din­gun­gen zu erken­nen, zu ana­ly­sie­ren, war­um sie unter­drückt wer­den und um zu ver­ste­hen, dass Ent­mensch­li­chung die Wur­zel aller Unter­drü­ckung ist.

For­bes aner­kennt durch­aus den Wert die­ses Ansat­zes, stellt ihm aber den umfas­sen­de­ren Ansatz des poli­ti­schen und mili­tä­ri­schen Füh­rers Tecum­seh gegen­über, der ver­such­te hat­te, sich mit einer gros­sen india­ni­schen Alli­anz den weis­sen Sied­lern entgegenzustellen:
Tecum­sehs Bewe­gung unter­schied sich von Frei­res Ideen in eini­gen wich­ti­gen Punk­ten: Ers­tens hoff­te Tecum­seh nicht dar­auf, die Unter­drü­cker zu “ver­mensch­li­chen”, da er offen­sicht­lich glaub­te, dass dies nicht in der Macht der Nati­ve Peop­le stand. Zwei­tens ver­such­te Tecum­seh, die India­ner von den Weis­sen zu tren­nen, indem er die Unab­hän­gig­keit der Nati­ve Peop­le bewahr­te und die Weis­sen von deren Land fern hielt. .…
Schliess­lich, und das ist am bedeut­sams­ten, beinhal­te­te Tecum­sehs Bewe­gung eine “spi­ri­tu­el­le” Basis. Die india­ni­schen Leh­rer erkann­ten, dass die Men­schen erst von ihrer spi­ri­tu­el­len Krank­heit “geheilt” wer­den müs­sen, bevor sie eine gerech­te Gesell­schaft auf­bau­en kön­nen. Also ver­sam­mel­ten sich die India­ner bei Tip­pe­ca­noe, um sich zu rei­ni­gen, von Alko­ho­lis­mus und frem­den Gewohn­hei­ten frei­zu­ma­chen und um zu ler­nen, von neu­em als ver­ant­wor­tungs­vol­le, natür­li­che Men­schen zu leben.

Die­se zusätz­li­che spi­ri­tu­el­le Dimen­si­on ist für For­bes das ent­schei­den­de Ele­ment, das einen Hei­lungs­pro­zess der Wéti­ko-Seu­che über­haupt in Gang set­zen kann:
Ich glau­be, dass Bemü­hun­gen um Gerech­tig­keit auf sozio­po­li­ti­scher Ebe­ne lebens­wich­tig sind. Aber die Basis die­ser Bemü­hun­gen, wenn sie Erfolg haben sol­len, muss die spi­ri­tu­el­le Rege­ne­ra­ti­on von jedem von uns sein, der an die­sem Kampf betei­ligt ist. Wenn die Wéti­ko-Psy­cho­se über­wun­den wer­den soll und wenn wir von die­ser Krank­heit geheilt wer­den sol­len, liegt der Aus­weg in dem, was ich Reli­gi­on nenne …

Ange­sichts der Tat­sa­che, dass sich For­bes gegen­über bestimm­ten Aspek­ten des Chris­ten­tums höchst kri­tisch äus­ser­te, scheint sich da ein Wider­spruch auf­zu­tun, — dies aber nur schein­bar, wenn wir sei­ne Defi­ni­ti­on von “Reli­gi­on” zur Kennt­nis nehmen:
Es ist der “gute, rote Weg” oder der “frucht­ba­re Weg” für alle Tage unse­res Lebens. Damit will ich aber nicht sagen, dass der Mensch nun India­ner wer­den soll oder dass er dem Weg der Nati­ve Ame­ri­cans fol­gen soll. Nein, denn wenn wir ein­mal die Wéti­ko-Seu­che aus­ser Betracht las­sen und ehr­lich, demü­tig die Din­ge betrach­ten, wer­den wir erken­nen, dass die Leh­ren der gros­sen Medi­zin­män­ner, der gros­sen Hei­li­gen die­ser Welt, tat­säch­lich ähn­lich sind — sie wei­sen in die­sel­be Rich­tung. Viel­leicht sind sie nicht iden­tisch, aber das ist in Ord­nung, da sie uns alle nur Bei­spie­le geben wollen.

Und dann folgt der Auf­ruf, je unse­ren eige­nen “guten, roten Weg” zu gehen:
Ich glau­be nicht, dass sie von uns ver­lang­ten, dass wir Robo­ter wer­den soll­ten und somit jede Pha­se ihres Lebens kopie­ren oder Pho­no­gra­phen, die jedes Wort ihrer Gebe­te wie­der­ho­len, oder dass wir Nar­ren wer­den, die die Wun­der der eige­nen Phan­ta­sie ableh­nen, oder Töl­pel, die nicht fähig sind, eige­ne Träu­me zu haben, oder Blö­de, die nie nach eige­nen Ein­sich­ten suchen. Die Ein­sich­ten ande­rer Leu­te gehö­ren die­sen und nicht uns; und es ist falsch, sie als Ent­schul­di­gung zu neh­men dafür, dass man kei­ne eige­nen hat, obwohl man wel­che haben könn­te.

Und so kommt er zu einer wei­te­ren Defi­ni­ti­on einer Wétiko-Gesellschaft:
(Sie) trach­tet danach, so scheint es jeden­falls, ihre Men­schen, mit Aus­nah­me eini­ger weni­ger, davon abzu­hal­ten, ihrer eige­nen geis­ti­gen Erfül­lung nachzugehen …

Wir blei­ben auch in der nächs­ten Fol­ge bei Jack For­bes, und dies wie immer in der nächs­ten Fol­ge am kom­men­den Don­ners­tag, den 22. Juni.

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Mattiello am Mittwoch 23/24
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