Wenn man die indi­an­is­che Kri­tik am “west­lichen Weg” auf den Punkt brin­gen möchte, eignen sich dazu zwei Begriffe beson­ders gut:
Die “utopis­che Vision” von John Mohawk, und die “Wetiko-Seuche” von Jack Forbes.

Was ver­ste­ht Mohawk unter “utopis­ch­er Vision” oder “utopis­ch­er Ide­olo­gie”?
Um eine utopis­che Vision zu haben, muss man glauben, dass die Zeit lin­ear ver­läuft, dass das Leben eines Tages bess­er sein wird als hier und jet­zt, und dass man andere opfern muss, um dies zu erre­ichen. Ich glaube, das ist, wenn ich so sagen darf, die Geschichte des West­ens, eine Rei­he von konkur­ri­eren­den Ideen darüber, wie wir das Ziel erre­ichen wer­den. Wenn wir dort ankom­men, wer­den wir alle glück­lich sein. Und wo ist das Ziel? Es kann der Him­mel sein, zum Beispiel, oder es kann ein Maschi­nen­paradies sein.

Im Grunde geht es darum, einem ide­alen Zus­tand in der Zukun­ft nachzuren­nen,  und — ganz im Sinne der Maxime “Der Zweck heiligt die Mit­tel” — Hin­dernisse wenn nötig mit Gewalt bei­seite zu schaffen.
Im Kampf um das “Tausend­jährige Reich” haben die
Deutschen … nie darüber nachgedacht, was sie tat­en, haben sich nie gefragt, ob das, was sie tat­en, falsch sein könnte. 
Die Spanier haben auch nie innege­hal­ten und nachgedacht. Im Laufe der Geschichte haben Grup­pen, die geplün­dert haben — wie die amerikanis­chen Bergleute in Kali­fornien und das amerikanis­che Mil­itär in den nördlichen Great Plains — nie darüber nachgedacht. Sie baut­en utopis­che Ide­olo­gien auf, die sie vor ihrem Gewis­sen schützten.

Das gilt natür­lich genau­so für die Utopie der “klassen­losen Gesellschaft”, wie sie Marx verkün­dete. Auch hier gehen die Opfer­zahlen auf dem Weg dahin in Rus­s­land (Stal­in), Chi­na (Mao) oder Kam­bod­scha (Pol Pot) in die Millionen.

Auf dem Weg in eine glo­riose, freud­volle Zukun­ft gilt es vor­erst, den “Feind” zu eli­m­inieren: bei den Nation­al­sozial­is­ten die Juden, bei den Kom­mu­nis­ten die “bürg­er­liche Klasse”.

Der indi­an­is­che His­torik­er Jack Forbes sein­er­seits sieht die Haup­tur­sache für all das Elend, das der “west­liche Weg” über indi­gene Völk­er auf allen Kon­ti­nen­ten gebracht hat, in der “Wetiko”-Seuche, die unerkan­nt unter uns Weis­sen wütet:
Forbes’ Weltan­schau­ung geht hart mit der west­lichen Zivil­i­sa­tion ins Gericht. Sein­er scho­nungslosen Analyse zufolge ist die Geschichte der Europäer untrennbar mit der Fasz­i­na­tion für das Böse ver­bun­den, die er als „Mátchi-Syn­drom“ (Cree-Dialekt für teu­flis­che Ver­dor­ben­heit) beze­ich­nete. Dies führe zu einem Man­gel an Empathie und in logis­ch­er Kon­se­quenz zu Ego­is­mus, Habgi­er und Gewalt. Der Impe­ri­al­is­mus habe diese Charak­tereigen­schaft weltweit ver­bre­it­et, so dass man von der größten Seuche der Men­schheit sprechen könne, der „Wétiko-Psy­chose“  .…
Ursprünglich beze­ich­nete die Wétiko-Krankheit eine psy­cho­tis­che Gier nach Men­schen­fleisch bei den kanadis­chen Indi­an­ern, die vor allem im Win­ter durch langes Hungern verur­sacht wurde. Das Wort ste­ht bei den Cree für einen der­art erkrank­ten Men­schen oder auch für einen bösen Geist, der andere Geschöpfe mit teu­flis­chen Hand­lun­gen bis hin zum Kan­ni­bal­is­mus ter­ror­isiert. Die Assozi­a­tion mit dem Kan­ni­bal­is­mus – also dem „Verzehren von Artgenossen“ – bezieht der indi­an­is­che Pro­fes­sor auf die legal­isierten Auswüchse der kap­i­tal­is­tis­chen Mark­twirtschaft, die mit der rück­sicht­slosen Aus­beu­tung und Beherrschung von Men­sch und Natur in allen nur denkbaren Erschei­n­ungs­for­men einhergehe.

Forbes stellt dem­nach die weltweit beste­hen­den gesellschaftlichen Prob­leme wie Armut und Obdachlosigkeit, Hunger und Leid sowie die Zer­störung der Umwelt in den Kon­text der west­lichen Gesellschafts­form, die sich selb­st „zivil­isiert“ und „kul­tiviert“, „frei“ und „sozial“ nen­nt. Tat­säch­lich würde der Kap­i­tal­ist jedoch – wen­ngle­ich in der Regel nicht direkt, son­dern über eine Wirkungs­kette im Sys­tem – rück­sicht­s­los das Eigen­tum, die Gesund­heit und das Leben Ander­er kon­sum­ieren, um gut zu leben, ohne sel­ber viel dafür tun zu müssen. Dies sei alles andere als zivil­isiert und eher ver­gle­ich­bar mit ein­er entarteten Form des Kan­ni­bal­is­mus. Die neg­a­tiv­en Aspek­te der mod­er­nen Welt haben nach Forbes’ Ansicht glob­al gese­hen ein enormes Aus­maß angenom­men und zeigten eine Ten­denz zu weit­er­er Ver­schär­fung. Daraus schließt er auf die Krankhaftigkeit des Sys­tems beziehungsweise der Men­schen als ver­ant­wortlich han­del­nder Subjekte.

Als Beweise für seine The­sen führt Forbes unter anderem die unvorstell­baren Massen­morde an Mil­lio­nen von Ure­in­wohn­ern in Afri­ka, Nord- und Südameri­ka, den Holo­caust, die Inqui­si­tion u. v. a. his­torische Ereignisse der „sicht­bar krankhaften Unmen­schlichkeit“ auf. Mit unzäh­li­gen Zitat­en belegt er den Ras­sis­mus und die Arro­ganz der Europäer, mit der sie sich über alle andere stellen würden.
(Wikipedia, Jack Forbes)

Der amerikanis­che Autor Paul Levy hat die The­sen Forbes aufgenom­men und mit den Ein­sicht­en von C.G.Jung zum “Schat­ten” in uns verbunden.
Levy erk­lärt uns, dass wir reflek­tieren müssen, wenn wir an unserem Schat­ten arbeit­en und Wetiko töten wollen. Am Ende des Tages ist dieser innere Dämon nichts anderes als unsere unter­en­twick­elte, ver­nach­läs­sigte Per­sön­lichkeit, ein Teil von uns selb­st, den wir ver­steck­en. Indem wir ihn ver­steck­en, erlauben wir ihm, sich allein auf die Suche nach Nahrung zu machen. Wir lassen ihn von Gier und Neid zehren. (aus gedankenwelt.de)

Levy hat die “Wetiko-Seuche” in sein­er Kind­heit auf zer­störerische Weise erlebt. In seinen zwei höchst lesenswerten Büch­ern “Dis­pelling Wetiko” und “Wetiko: Heal­ing the Mind-Virus that plagues our World” (inzwis­chen auch auf Deutsch erhältlich) zeigt er Wege auf, wie wir uns diesem Schat­ten in uns stellen und eine Heilung in die Wege leit­en können.

Näch­ste Folge am kom­menden Don­ner­stag, den 18. Mai.

An anderen Serien interessiert?
Wil­helm Tell / Ignaz Trox­ler / Hein­er Koech­lin / Simone Weil / Gus­tav Meyrink / Nar­rengeschicht­en / Bede Grif­fiths / Graf Cagliostro /Sali­na Rau­ri­ca / Die Welt­woche und Don­ald Trump / Die Welt­woche und der Kli­mawan­del / Die Welt­woche und der liebe Gott /Lebendi­ge Birs / Aus mein­er Fotoküche / Die Schweiz in Europa /Die Reich­sidee /Voge­sen Aus mein­er Bücherk­iste / Ralph Wal­do Emer­son / Fritz Brup­bach­er  / A Basic Call to Con­scious­ness / Leon­hard Ragaz

 

 

 

 

Mattielo am Mittwoch 23/19
Die Reichsidee 86

Deine Meinung

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.