Wer heute von Nine Eleven hört oder an Nine Eleven denkt, hat mit grösster Wahrscheinlichkeit sofort die Bilder der einstürzenden Türme des World Trade Center in Manhattan vor Augen. Schock für die Vereinigten Staaten, aber dank der Live-Übertragungen weltweit auch Schock für die ganze Welt.
Die dramatischen weltpolitischen Folgen sind bekannt: 2001 Einmarsch der USA und ihrer Verbündeten in Afghanistan und 2003 Angriff auf den Irak durch die USA und ihre “Koalition der Willigen”. Während der Afghanistan-Einsatz gegen die Taliban den Segen des UNO-Sicherheitsrats hatte, war der Entscheid, das Regime Saddam Husseins zu stürzen, allein der Präventivkrieg-Doktrin von George W. Bush und seiner Neocons geschuldet mit dem Ziel, die sog. “Achse des Bösen” zu brechen. Dass die in der UNO vorgezeigten Beweise nicht existierten, zeigte sich bald nach dem Einmarsch. Und dass Bush mit dem Krieg letztlich handfeste Machtziele verfolgte, war jedem aufmerksamen Beobachter klar.
Damit kommen wir zum “anderen Nine Eleven”. Es fand am 11. September 1973 in Santiago de Chile statt. An diesem Tag bombardierte die chilenische Luftwaffe den Präsidentenpalast. Der drei Jahre zuvor demokratisch gewählte sozialistische Präsident Salvador Allende wies ein Fluchtangebot entrüstet zurück und nahm sich das Leben, um der Verhaftung zu entgehen und ein Zeichen zu setzen: Willkommen in der fast 17 Jahre dauernden Militärdiktatur des Generals Augusto Pinochet mit Abertausenden von “Verschwundenen” und Folteropfern.
Haben die beiden Ereignisse — abgesehen vom gleichen Jahrestag — ansonsten etwas miteinander zu tun?
Das haben sie tatsächlich.
Bei der US-Intervention in Chile führte der US-amerikanische Auslandsgeheimdienst CIA ab 1963 in Chile eine Reihe verdeckter Operationen durch mit dem Ziel, die Wahl des Sozialisten Salvador Allende zum Staatspräsidenten zu verhindern. Nachdem diese Aktionen erfolglos geblieben waren, gingen die USA zu massiven Geheimdienstoperationen über mit dem Ziel, die linke Regierung in Chile zu destabilisieren und die Voraussetzungen für den Militärputsch am 11. September 1973 zu schaffen. (Wikipedia)
Die CIA, Henry Kissinger und Richard Nixon rieben sich nach der erfolgreichen Machtübernahme durch Pinochet wohl zufrieden die Hände, — und realisierten nicht, dass sie damit eklatant gegen den Geist ihrer eigenen Verfassung verstiessen. So wie George W. Bush den “Global War on Terror” dazu benutzte, entgegen dem Völkerrecht einen präventiven Krieg zu führen, die Folter wieder einzuführen und die Bürgerrechte zu beschneiden, hatten sich die USA im Laufe des “Kalten Kriegs” das Recht genommen, überall dort zu intervenieren, wo sie die Interessen ihrer eigenen kapitalistischen Ordnung in Gefahr sahen, — Menschenrechte und legitime Regierungen hin oder her. USA: Die “Achse des Guten?”
Was aber hat nun der 12. September 1848 mit den beiden Nine Eleven zu tun?
Unsere Bundesverfassung, die dieses Jahr ihr 150-Jahr-Jubiläum feiern darf und an diesem Tag in Kraft trat, ist — etwas salopp ausgedrückt — “nicht auf unserem eigenen Mist gewachsen”. Sie ist die Frucht jahrzehntelangen Bemühens des Beromünster Arztes, Philosophen, Pädagogen und Politikers Ignaz Paul Vital Troxler, — den heute fast niemand mehr kennt. Troxler kämpfte schon 1833 dafür, die taumelnde, zerrissene Eidgenossenschaft nach dem Vorbild der amerikanischen Verfassung neu zu gestalten. Damals hörte niemand auf ihn. Erst als die Verfassungskommission 1848 in einer völligen Sackgasse steckte, brachte die anfangs des Jahres publizierte Broschüre Troxlers “Die Verfassung der Vereinigten Staaten von Nordamerika als Musterbild der schweizerischen Bundesreform” den entscheidenden Durchbruch, wie man im hochinteressanten Buch des historiographischen Publizisten Rolf Holenstein “Stunde Null. Die Neuerfindung der Schweiz 1848″ nachlesen kann.
Die beiden Nine Eleven sind tragische Zeugnisse einer chaotischen politischen Weltordnung. Die USA stehen nach dem versuchten Staatsstreich Donald Trumps vor einer innenpolitischen Zerreissprobe. Die Verfassung steht auf wankendem Boden. Russland bricht, um seine imperialen Interessen zu schützen, entgegen dem Völkerrecht in Europa einen Angriffskrieg vom Zaun. Und mittendrin steht die kleine Schweiz, deren Verfassung ihr 150 Jahre lang treu gedient und für den inneren Frieden gesorgt hat. Wie könnte sie in Zukunft mithelfen, eine neue weltpolitische Ordnung zu schaffen, die der ganzen Menschheit dient?
Der Pratteler Chorleiter und Musiker Bernhard Dittmann, der Pratteler Ex-Ombudsmann des Kantons BL (und Ex-Gemeindeschreiber von Birsfelden) Louis Kuhn und der birsfaelder.li-Schreiberling laden am Dienstag, den 12. September, 19 Uhr, im Saal Fridolinsheim, c/o Kath. Kirche, Hardstrasse 28 in Birsfelden zu einem Infoabend zu diesem Themenkreis mit anschliessender Diskussion ein. Eintritt frei.
Die Organisatoren freuen sich auf Ihren Besuch!
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