Wie schon einmal gesagt, ist Birsfelden eine Dienstleistergemeinde par excellence. Sie ist (fast) Zwangsverpflichtet für Bund, Kanton und viele andere Gemeinden.
Für den Bund steht Birsfelden nicht nur für die Pflichtlager da, sondern auch für das grosse Autobahnkarussel. Dieses belegt auf dem Gemeindegebiet eine Fläche von 53’444 m² oder fast 5,4 ha (Hektaren). Einnahmen für Birsfelden = 0.
Auch in der Hagnau unterhält der Kanton eine der grössten Kläranlagen. In den letzten Jahren totalrenoviert und ausgeweitet, auf einer Fläche von rund 63’461 m² oder fast 6,4 ha.
Die Abwässer Birsfeldens fliessen nicht in diese Kläranlage sondern weiter nach Norden. In Birsfelden werden aber die Abwässer von Grellingen, Duggingen, Hochwald, Pfeffingen, Aesch, Gempen, Dornach, Reinach, Arlesheim, Münchenstein und Muttenz behandelt.
Die Kläranlage bezahlt als kantonales Unternehmen natürlich keine Steuern. Einnahmen für Birsfelden = 0.
Dann, wie schon öfter in dieser Serie erwähnt der Hafen mit seinen Pflichtlagern. Er belegt rund 578’580 m² oder 57,8 ha des Gemeindegebiets (Baurechtsparzellen + Strassen + Schienen). Wenige Firmen wie Birsterminal AG oder Delica haben den Firmensitz in Birsfelden und bezahlen ordentlich Steuern. Viele Firmen haben den Hauptsitz irgendwo, auch ausserkantonal, und bringen dadurch nicht viel ein.
Und fast vergessen gegangen wäre da noch die Sehenswürdigkeit Kraftwerk Birsfelden. Die Grundstücke 677, 1423, 1424 und 1550 sind vom Kraftwerk Birsfelden belegt. Das sind insgesamt 126’022 m2 oder 12,6 ha.
In den Kantonen Wallis und Graubünden, zum Beispiel, bezahlen die Kraftwerke den Gemeinden einen Wasserzins. Auch das Kraftwerk Birsfelden bezahlt einen Wasserzins, im Jahre 2018 waren es rund 4,5 Mio. Franken: Ein Teil geht an den Kanton Basel-Stadt, ein Teil geht nach Deutschland, ein Teil geht an den Kanton Basel-Landschaft und kein Teil geht an die Gemeinde Birsfelden. Die Dividende von 3,5% ist da noch nicht eingerechnet.
Das Kraftwerk Birsfelden bezahlt der Gemeinde Birsfelden Steuern: Fr. 150’000.— im Jahre 2018. Wie sich diese Steuer berechnet ist nicht bekannt.
Die Gemeinde Birsfelden kann froh sein, wenn ihre Einwohnerinnen und Einwohner auf dem Inseli spazieren dürfen (ausser das Inseli wäre gerade fremdbelegt mit irgendwelchen Dinosauriern oder aufgeblasenen Plastikrutschen oder bald einer Wasserstoffgewinnungsanlage). Und das Birsköpfli gehört ebenfalls dazu, es darf auch an heissesten Tagen nur bis 22 Uhr belegt werden, nachher muss man nach Basel zügeln. Dort gibt es dann ein Gedränge mit 2 Metern Abstand.
2014 machte die Birsfälderpünggtli-Redaktion den Vorschlag einen Teil des Wasserzinses einzufordern. Den Vorschlag hat Regula Meschberger 2015 aufgenommen. Den Erfolg dieses Postulats können Sie hier nachlesen. Das Postulat wurde vom Landrat bachab geschickt.
Der Birsfelder Dienstleister stellt also für Bund, Kanton und andere Gemeinden insgesamt
5,4 ha + 6,4 ha + 57,8 ha + 12,6 ha= 82,2 ha von seinen rund 260 ha zur Verfügung.
Und das für praktisch keine Einnahmen!
Kommt mir nur wieder Christoph Hiltmann in den Sinn in der Landratsdebatte:
»Der Votant ist der Meinung, dass man in Bezug auf die Hafengebiete nicht nur betreffend Infrastrukturbeiträgen, sondern auch realer Abgeltungen für Gebiete, die im Schweizerischen Interesse vorgehalten werden, zu fordern berechtigt ist. Ähnlich wie das bei Armeewaffenplätzen getan wird. «
Und noch einmal Christoph Hiltmann in einem Interview-Ausschnitt im Buch ›Am Rande der Stadt‹ von Georg Kreis:
»Birsfelden ist im interkantonalen Finanzausgleich der grösste Beitragsempfänger in absoluten Zahlen, nicht in Pro-Kopf-Zahl gerechnet. Das hängt unter anderem damit zusammen, dass ein beachtlicher Teil des Gemeindeterritoriums (nämlich 30%) das unter kantonaler Zuständigkeit stehende Hafenareal ist und weniger Steuersubstrat abwirft, als wenn es eine reine Gewerbezone ohne Hafen-Restriktionen wäre oder mit Wohnraum genutzt werden könnte. Aus diesem Grund wäre es korrekt, wenn die Finanzausgleichszahlungen nicht von den anderen Gemeinden, sondern von den Verursachern Kanton und Bund geleistet würden.«
Und Klaus Kirchmayr in der Debatte:
»Es ist extrem wichtig und auch vielversprechend, das Potential im fraglichen Gebiet zu nutzen. Ein forscherer und fordernder Auftritt wäre angesagt. Es zeigt sich auch, dass eine gute Voraussetzung gegeben ist, wenn die Gemeinden in diesem Kanton ein Gebiet wirklich entwickeln wollen. Der Votant fordert Birsfelden dazu auf, mit weiteren Vorstössen sich dezidierter für ihr Anliegen einzusetzen. «
Foto Autobahn: Orthophoto, Hafen und Kläranlage: Franz Büchler, Kraftwerk Birsfelden: Regula Kurmann
Im nächsten Artikel erzählen wir von einer Blabla-Medienmitteilung, die kaum etwas aussagt und die den Birsfelderinnen und Birsfeldern eigentlich Angst machen sollte. Und einige gute Sätze von Christoph Hiltmann gibt es auch zu lesen …
Dies ist eine Artikelserie.
Mit Klick auf diese Zeile erhalten Sie alle bis jetzt erschienenen Artikel.
Christoph Meury
Mai 8, 2020
Ja, reden wir mal ausnahmsweise nicht über den Hafen, reden wir über’s Kraftwerk:
.
Es gibt wiedereinmal ein neues Stadt- oder Arealentwicklungsprojekt in Birsfelden. Die Birsfelder Kraftwerk Birsfelden AG plant, direkt am Rhein (auf der Parzelle 1550), eine neue Grossüberbauung. Dazu hat sie bei Losinger Marazzi ein Entwicklungskonzept in Auftrag gegeben. Das Projekt mit dem unverfänglichen (und leicht esoterisch angehauchten) Namen «Kraftort am Rhein«, birgt vermutlich ziemlich viel Zündstoff und wirft Fragen auf: Schutz der denkmalgeschützten Kraftwerkanlage, Grünzone entlang des Rheins, Verbauung der letzten Freiräume am Rhein, Schutz von Freiräumen am Rhein durch die Öffentlichkeit, Kerngeschäft der Kraftwerk AG, Engagement der Kraftwerk AG im Bereich Arealentwicklung und Wohnbau, Rolle der Gemeinde bei der offensiven Entwicklung von Birsfelden, Grenzen des Wachstums, den Markt spielen lassen, etc.
.
Und last but not least: Wurde über den Erhalt der Parzelle 1550 nicht schon einmal abgestimmt und die BirsfelderInnen haben das damalige Projekt deutlich abgelehnt?
.
Auftraggeber für die Konzeptstudie ist die Kraftwerk Birsfelden AG. Zum Kerngeschäft dieser Firma, welche zu 100% den beiden Kantonen gehört (also ganz genau: 50% IWB, 25% Kanton BL, 15% EBM und 10% EBL), war bis dato die Erzeugung von Energie.
.
Soweit ist dies natürlich einer privaten (naja, eher: privatisierten Staatsfirma) AG zu gestatten. Da die Kraftwerk Birsfelden AG aber zu 100% öffentlich rechtlichen Organisationen — notabene eigentlich den Stromkonsumenten und den BürgerInnen des Kantons BL — gehört, ist die optimierte Nutzung und Ausdehnung des Kerngeschäftes eine öffentlich relevante Frage. Insbesondere, weil dadurch zwei Dinge tangiert werden: Einerseits wird eine grosse Grün- und Naherholungszone, welche bis dato der Birsfelder Bevölkerung zur Verfügung stand, durch eine Überbauung massiv tangiert und durch den geplanten Eingriff erheblich reduziert. Zweitens (und nicht weniger relevant) das Kraftwert Birsfelden ist als denkmalgeschütztes Objekt ein sensibles Gesamtwerk. Dabei stellen sich Fragen zum Schutz der Gesamtanlage (Bauten & Grünanlagen, inkl. Schleusen). Sind nur die Gebäudeteile von Hans Hofmann (1954), oder die Gesamtanlage geschützt? Ein wesentlicher Teil der Parzelle 1550 ist aber Teil dieser imposanten Stau- und Kraftwerkanlage.
.
Interessantes Detail in Klammer: 10 VR-Mitglieder, darunter 4 Regierungsräte (Regierungspräsidentin Elisabeth Ackermann, Ex-RR Sabine Pegoraro, RR Christoph Brutschin und RR Anton Lauber und 2 Kommissäre (D & CH), regieren über die 14 Festangestellten der Kraftwerk Birsfelden AG. Wahrlich ein strategisches Monstrum! Aber immerhin erwirtschaftet die AG rund 4.5 Mio. Franken, welche aber wiederum an der Gemeindekasse von Birsfelden vorbeiziehen, ohne, dass Birsfelden — in Form eines regulären Wasserzinses (die Gemeinden im Kanton Graubünden beispielsweise erhalten allesamt einen adäquaten Wasserzinsanteil) beteiligt würde. Die beteiligten Energiewerke und der Kanton Baselland behalten das Geld für sich und betrachten die Wasserzinsabgaben als legitimen Gewinnanteil an der Kraftwerk Birsfelden AG. Übrigens: die Gewinnausschüttung (Dividende) von rund 1 Mio. geht ebenfalls an die Besitzer der AG.
.
Vermutlich ist es neuerdings Teil der Strategie, dass das Unternehmen Kraftwerk Birsfelden AG mehr Umsatz, respektive mehr Gewinn generieren sollte. Daher ist auf der Birsfelder Festlandseite die Parzelle 1550 auserkoren worden, einer optimierten Nutzung durch verdichtetes Wohnen zugeführt zu werden. D.h. das Portfolio der Kraftwerk AG wird erweitert. Neu wird die AG auch im Immobiliengeschäft tätig werden.
.
Last but not least: Man lässt uns in einem, als redaktionellen Beitrag (Titelstory vom 24.4.2020 — Birsfelder Anzeiger) getarnten PR-Beitrag der IWB wissen, dass die Birsfelden Kraftwerk AG zukünftig in Kooperation mit der IWB & der Fritz Meyer AG auf dem Areal des Kraftwerks »Wasserstoff« produzieren will. Viel Lobhudelei von Seiten der Redaktion (im Auftrag der IWB — Torres Brunella) soll uns das Projekt schmackhaft machen. Dass der Wasserstoff in entsprechend neuzubauenden Industrieanlagen produziert werden soll und dafür auch Transportkapazitäten (sprich Strassen) zur Verfügung gestellt werden müssen, ergo Teile des Areals mit einer ebensolchen Produktionsanlage überbaut werden, wird wohlweislich mit keiner Zeile erwähnt. Ist ein vernachlässigbares Detail…
.
Ob die Wirtschaftlichkeit für die Wasserstoffproduktion sinnvoll ist, wissen wir auf dieser Grundlage natürlich nicht, aber das Kraftwerkareal mit einer solchen Industrieanlage zu verschandeln ist ein gewaltiger Blödsinn und ein Sakrileg. Dies auch, wenn man bedenkt, dass ein Steinwurf entfernt ein unternutztes Hafenareal liegt, welches mit etlichen Brachen bereits übermorgen mit einer Wasserstoffproduktionsanlage beliebiger Grösse bestückt werden könnte. Zumindest die Migros-Fischzucht auf dem Jowa-Areal (anstossend an das Kraftwerkareal) könnte locker mit dem Forschungsprojekt «Wasserstoff« ergänzt werden. Obwohl alle involvierten Firmen mit kantonaler Beteiligung operieren und die Verantwortlichen das Amigo-Prinzip längstens verinnerlicht haben, ist nachhaltiges Denken, Kombinieren und Handeln (sprich: Sharing-Economy) nicht Grundlage der strategischen Führung.