Natha­lie und Michel Vogt, die Autoren des infor­ma­ti­ven Werks “Die Hei­den­mau­er vom Odi­li­en­berg”, schrei­ben im Vorwort:
Der Odi­li­en­berg und die Hei­den­mau­er, die die­sen umschliesst, befin­den sich heut­zu­ta­ge in einer wider­sprüch­li­chen Situa­ti­on. Die­ser Ort … ist seit Jahr­tau­sen­den ein Ort der reli­giö­sen Kul­te und zieht jedes Jahr unge­fähr eine Mil­li­on Besu­cher aus aller Welt an. Ande­rer­seits wird die Hei­den­mau­er in kei­nem tou­ris­ti­schen Rei­se­füh­rer erwähnt und auch sonst völ­lig igno­riert.

Da schwingt etwas Bedau­ern mit. Aber das hat auch einen gros­sen Vor­teil: Es ist heu­te immer noch mög­lich, die geheim­nis­vol­le Atmo­sphä­re, die die Mau­er umgibt, über lan­ge Stre­cke allein und in aller Ruhe zu erle­ben. Zwar wur­de die Mau­er im Mit­tel­al­ter teil­wei­se abge­tra­gen, aber es blei­ben genü­gend vie­le gut erhal­te­ne Abschnit­te, die einen in eine ande­re, längst ver­gan­ge­ne Zeit versetzen …

Die ers­te schrift­li­che Erwäh­nung der Mau­er stammt aus dem Jah­re 1501 n.Chr. durch den ein­zi­gen elsäs­si­schen Papst, Leon IX. Erstaun­lich, dass es ange­sichts der Mau­er­di­men­sio­nen kei­ne älte­ren Quel­len gibt!
Die Mau­er ist 2 m breit, an eini­gen Stel­len 3,50 m hoch und 10,5 km lang. Drei Ber­ge sind von die­ser wehr­haf­ten Bar­ri­ka­de umgür­tet … Wie konn­te der vor­ge­schicht­li­che Mensch, der nur über äus­serst pri­mi­ti­ve Werk­zeu­ge ver­füg­te, 300’000 Fels­blö­cke zuschnei­den? Wie und war­um ist gera­de auf dem Odi­li­en­berg ein auf­wen­di­ges und kom­pli­zier­tes Ver­fah­ren des Mau­er­baus zu sei­ner Rei­fe gelangt? Ein aus dem Mit­tel­meer­raum stam­men­des Sys­tem, das in Nord­eu­ro­pa sei­nes­glei­chen sucht:

Nur, waren da wirk­lich vor­ge­schicht­li­che Men­schen am Werk?
Seit dem 19. Jhdt. beu­gen sich Archäo­lo­gen über das “Heidenmauer”-Rätsel. Ihre Hypo­the­sen zum Mau­er­bau rei­chen von 2000 v.Chr. über die kel­ti­sche, dann die gal­lo-roma­ni­sche Epo­che bis in das 7. Jhdt. n.Chr., — also die Herr­schafts­zeit Eti­chos! Wäh­rend der deut­schen Beset­zung im 2. WK ver­such­ten deut­sche Archäo­lo­gen gar nach­zu­wei­sen, dass die Mau­er Beweis für eine frü­he ger­ma­ni­sche Besied­lung sei. Man fand aber in einem Fun­da­ment zwei römi­sche Mün­zen, also doch gallo-romanisch?

Doch 2001 erhielt die Strass­bur­ger Uni­ver­si­tät Pake­te mit im 19. Jhdt. gefun­de­nen Holz­ver­bin­dungs­stü­cken in Schwal­ben­schwanz­form zuge­schickt, mit denen die gros­sen Stein­blö­cke offen­sicht­lich zusam­men­ge­hal­ten wur­den. Das Resul­tat der dend­ro­chro­no­lo­gi­schen Unter­su­chung: Sie stam­men aus dem 7. Jhdt., also Mero­win­ger­zeit! Aber war­um haben sich dann kei­ne schrift­li­chen Zeug­nis­se von die­sem gigan­ti­schen Pro­jekt erhal­ten? Viel­leicht sind die gefun­de­nen Ver­bin­dungs­stü­cke ja ein­fach nur Zeug­nis­se von Restau­ra­ti­ons­be­mü­hun­gen durch die mero­win­gi­schen Herrscher?

Kurz: Es ist klar, dass alles ziem­lich unklar ist. Noch unkla­rer wird es bei der Fra­ge, wozu die “Hei­den­mau­er” denn gedient haben könnte:
Die ers­te Hypo­the­se einer mili­tä­ri­schen Befes­ti­gung wur­de bald ein­mal fal­len­ge­las­sen: Es gibt inner­halb der Mau­er prak­tisch kein Was­ser, und die 10 km lan­ge Mau­er könn­te an den meis­ten Stel­len locker über­klet­tert werden.
Zwei­te Hypo­the­se: Die Mau­er als Pres­ti­ge­ob­jekt eines mero­win­gi­schen Herr­schers. Sie gilt bei vie­len Archäo­lo­gen heu­te als die wahr­schein­lichs­te. Aller­dings: Die grös­sen­wahn­sin­ni­ge Idee, eine solch gigan­ti­sche Mau­er mit Hun­der­ten von Arbei­tern über Jah­re hin­weg zu bau­en, nur um sei­ne eige­ne Macht zu demons­trie­ren, scheint doch ziem­lich weit hergeholt …
Drit­te Hypo­the­se: Die Mau­er hat eine sakra­le Bedeu­tung. Dann wür­de der Bau durch einen chris­tia­ni­sier­ten Fürs­ten natür­lich weg­fal­len. Die Suche nach irgend­wel­chen Über­res­ten eines gal­lo-roma­ni­schen Tem­pels blieb ergeb­nis­los. Trotz­dem scheint mir die­se Hypo­the­se am inter­es­san­tes­ten. Radi­äs­the­sis­ten behaup­tenLe Mont Sain­te Odi­le, haut lieu vibra­toire excep­ti­on­nel au même tit­re que Char­tres et le Mt ST Michel… est un point stratégique occupé dès l’époque préhistorique.” In einem You­tube-Video  wird ver­sucht, die Mau­er in astro­no­mi­sche Zusam­men­hän­ge zu stel­len und mit der Zahl “Pi” in Ver­bin­dung zu bringen.

Wel­che Hypo­the­se nun auch immer zutref­fen mag, der Zau­ber einer Wan­de­rung ent­lang der “Hei­den­mau­er” bleibt der gleiche.

Mit die­ser letz­ten Epi­so­de sind wir am Ende unse­rer Voge­sen-Streif­zü­ge ange­langt. Falls eine geneig­te Lese­rin oder ein geneig­ter Leser nun Lust ver­spürt, die­sen Som­mer einen der hier vor­ge­stell­ten Ber­ge und Ort näher ken­nen­zu­ler­nen — immer unter der Vor­aus­set­zung, dass so ein Aus­flug wegen Covid über­haupt mög­lich ist -, bie­te ich ger­ne eine geführ­te Wan­de­rung an. Bei Inter­es­se ein­fach ein Mail an maxfe@sunrise.ch schi­cken, und ich mel­de mich, sobald sich eine Gele­gen­heit dazu bietet.

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