Roger Köp­pel malt — nach­dem sich die bol­sche­wis­ti­sche Macht­über­nah­me durch den Bun­des­rat in der Covi­d19-Kri­se nicht so ganz bewahr­hei­te­te — in sei­nem neu­es­ten Edi­to­ri­al ein wei­te­res Schreck­ge­spenst für die Zukunft der Schweiz an die Wand: Sie ver­wan­delt sich näm­lich in einen Ständestaat!

Aus­lö­ser war die Pres­se­kon­fe­renz von Jus­tiz­mi­nis­te­rin Karin Kel­ler-Sut­ter, die mit Unter­stüt­zung “von den nam­haf­tes­ten Chefs der Gewerk­schaf­ten, des Gewer­bes und der Arbeit­ge­ber” den Kampf gegen die SVP-Begren­zungs­in­itia­ti­ve eröff­ne­te. Unter “bol­sche­wis­ti­scher Macht­über­nah­me” kann man sich viel­leicht noch etwas vor­stel­len, — aber “Stän­de­staat”?!

Doch nicht ver­za­gen, Roger Köp­pel erteilt uns zum Glück etwas Nach­hil­fe­un­ter­richt: “Die­ses poli­ti­sche Kon­zept hat­te vor allem zu Beginn des 20. Jahr­hun­derts vie­le Anhän­ger unter den dama­li­gen faschis­ti­schen Kampf­ver­bän­den gegen den Kom­mu­nis­mus. Ziel war es, die Inter­es­sen­viel­falt offe­ner demo­kra­ti­scher Gesell­schaf­ten im «berufs­stän­di­schen» Aus­gleich zwi­schen Kapi­tal und Arbeit zu über­win­den. Die­ses unheil­vol­le, auto­ri­tä­re, letzt­lich frei­heits­feind­li­che Modell war in der Schweiz nie main­stream­fä­hig. Dass es der Bun­des­rat jetzt gegen die BGI reak­ti­viert, ist ein Zei­chen von Geschichts­ver­ges­sen­heit, man­gel­haf­tem libe­ra­lem Bewusst­sein, vor allem aber von nack­ter Angst.

Das ist sogar rich­tig, — aus­ser dass der Auf­tritt des Bun­des­rats damit nun wirk­lich gar nichts zu tun hat. Wer­fen wir doch einen kur­zen Blick auf den geschicht­li­chen Hintergrund:

Ein ent­schie­de­ner Ver­tre­ter die­ses “unheil­vol­len, auto­ri­tä­ren, letzt­lich frei­heits­feind­li­chen Modells” war der Frei­bur­ger Aris­to­krat Gon­zague de Rey­nold (1880–1970). “Sein Hass gegen den Kom­mu­nis­mus und sein Kampf gegen die Demo­kra­tie mach­ten Gon­zague de Rey­nold zu einem Bewun­de­rer der auto­ri­tä­ren Regimes von Antó­nio de Oli­vei­ra Sala­zar und Beni­to Mus­so­li­ni und lies­sen ihn sogar Ver­ständ­nis für Adolf Hit­ler auf­brin­gen. Er hielt den Faschis­mus für die ein­zi­ge Gesell­schafts­ord­nung, die sich für die Wür­de der Arbei­ter ein­setz­te (sie­he: Kle­ri­kal­fa­schis­mus), und woll­te die Schweiz zu einem auto­ri­tä­ren Stän­de­staat machen. Er selbst soll­te dar­in die Füh­rungs­rol­le über­neh­men. Ana­log zu den Titeln Duce oder Füh­rer wäre der höchs­te Schwei­zer Land­am­mann genannt wor­den. Rey­nolds Wir­ken blieb aber letzt­lich doch auf katho­li­sche Krei­se und auf die West­schweiz beschränkt. Den­noch darf sein Ein­fluss nicht unter­schätzt wer­den. So war etwa Bun­des­rat Phil­ipp Etter gleich­sam sein Schü­ler, der ganz im Sin­ne Rey­nolds die Staats­ge­schäf­te betrieb. ” (Wiki­pe­dia)

Das Ziel, einen olig­ar­chisch-christ­li­chen Staat zu bau­en, schei­ter­te mit der Ableh­nung der Total­re­vi­si­on der Bun­des­ver­fas­sung 1935 (“Fron­ten­in­itia­ti­ve”). Er hat­te aber einen wei­te­ren geleh­ri­gen Schü­ler: James Schwar­zen­bach (1911–1994), Grün­der der “Natio­na­len Akti­on”, der unter dem Patro­nat Rey­nolds zum Katho­li­zis­mus kon­ver­tier­te, Fron­tist war und dem Stän­de­staat des Anci­en Régime nach­trau­er­te. Wir “fei­ern” die­ses Jahr bekannt­lich 50 Jah­re “Schwar­zen­bach-Intia­ti­ve”.

Heu­te ist das Gedan­ken­gut der “Natio­na­len Akti­on” in die SVP ein­ge­flos­sen. Und sie­he da,
2014 tadel­te Chris­toph Blo­cher in der Welt­wo­che die CVP: “Sie habe ihre See­le ver­lo­ren, schreibt Blo­cher. Und er erin­nert die Par­tei dar­an, dass der katho­li­sche Kon­ser­va­ti­ve de Rey­nold den Boden für die geis­ti­ge Lan­des­ver­tei­di­gung berei­tet habe; zusam­men mit Bun­des­rat Etter.” (Die Zeit, Nr. 40/2014)

Jetzt kann man sich fra­gen: War sich Roger Köp­pel die­ser geschicht­li­chen DNA sei­ner eige­nen Par­tei nicht mehr bewusst, — oder ver­sucht er, uns Zeit­ge­nos­sen mit sei­nen rhe­to­ri­schen Taschen­spie­ler­tricks ein­fach wie­der ein­mal Sand in die Augen zu streuen!?

Hommage an Heiner Koechlin 5
Wochenrückblick

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