Nachdem wir in der letzten Folge einen Blick auf die Tarotkarte “Der Narr” aus der Sicht Valentin Tombergs geworfen haben, wenden wir uns heute Paul Foster Case zu. Foster Case ist der Begründer der rosenkreuzerischen Mysterienschule Builders of the Adytum, die ihren Sitz in Kalifornien hat und noch heute weltweit tätig ist.
Die berühmten Rosenkreuzermanifeste lösten bekanntlich im 17. Jahrhundert in der europäischen Gelehrtenwelt ein ungeheures Aufsehen aus, weil in ihnen nichts weniger als eine Generalreformation der Welt verkündet wurde. Zentral war darin die Postulierung eines inneren Christentums jenseits erstarrter äusserer Dogmen. Der bald darauf einsetzende Dreissigjährige Krieg erstickte diese Vision allerdings bald in Blut und Asche. Doch im Untergrund lebten die Manifeste und die darin geäusserten Ideen bis in die heutige Zeit weiter. Foster Case baute seine Schule auf der Tradition des englischen Golden Dawn auf, der seinerseits seine Wurzeln in deutschen Rosenkreuzerbewegungen hatte.
Bei Foster Case tritt bei der Interpretation des Narren ein weiteres Element hinzu: der Bezug zur Qabbalah. Die Integration der 22 Grossen Arkana in den qabbalistischen Lebensbaum ist dem französischen Magier Eliphas Lévi zu verdanken. Traditionelle Kabbalisten lehnen diese Neuerung ab. Inzwischen hat sich aber gezeigt, dass diese Integration eine grosse interpretative Bereicherung sowohl für das Schöpfungsmodell des Lebensbaums mit seinen zehn Sefirot als auch für die Grossen Arkana brachte.
Es ist hier natürlich nicht möglich, auf dieses Zusammenspiel einzugehen. Erwähnt sei immerhin, dass die Karte “Der Narr” im Lebensbaum mit dem zugewiesenen Wert 0 eine ganz besondere Stellung einnimmt. Das wird deutlich, wenn wir einige Aussagen von Foster Case zur Karte betrachten:
Der Narr ist ein Bild der Kraft, die bei all unseren Bemühungen, ein größeres Maß an Freiheit zu erlangen, eingesetzt wird.
Es ist der Teil von dir, der über und jenseits deiner äußeren Persönlichkeit steht, über und jenseits deines denkenden, bewussten Verstandes.
Er ist ein Symbol deines Selbst, deiner Ganzheit, von der Verstand, Körper und alles andere, was in deine scheinbar getrennte Persönlichkeit eingeht, nur Teile sind.
Er ist ein Bild für das absolut freie und vollkommene SEIN, das das belebende Prinzip und der Kern deiner äußeren Persönlichkeit ist.
In der okkulten Arithmetik bedeutet das O nicht das Nichts. Es steht für die absolute Einheit.
Sie ist ein Symbol für die Kraft, die dir immer zur Verfügung steht, um dein Wachstum und deine Entwicklung zu fördern.
Sie ist ein Symbol für die grenzenlose, bedingungslose Lebenskraft.
Die eine Realität, die vor allen Anfängen steht.
Diese eine Lebenskraft ist eine reale Präsenz im gesamten Universum.
Jenseits von Wissen und Definitionen der Logik ist eine direkte menschliche Erfahrung dieser ewigen Jugend möglich, deren Leben die Schöpfung durchzieht und die Quelle der Vitalität für alle geringeren Leben ist.
Ganz gleich, wie weit die Lebenskraft voranschreitet, sie kann immer einen weiteren Schritt tun.
Das bedeutet, dass man nie an die Grenze der eigenen Möglichkeiten kommt.
Worin besteht dann der Schritt des Narren in den Abgrund?
Doch werfen wir noch einen Blick auf ein paar wenige Details in der Karte:
Die schneebedeckten Berge stehen für die abstrakten mathematischen Konzepte, die hinter allem Wissen über die Natur stehen.
Der Stab steht für den Willen, die Tasche für das Erinnerungsvermögen, die weisse Rose für die geläuterte Sehnsucht, Weiss für die Tugenden der Reinheit, Wahrheit, Weisheit, Rot für Leidenschaft, Aktion, Verlangen, die Radsymbole mit den acht Speichen die Wirbelbewegung, durch die sich die Kraft manifestiert, — und der kleine Hund die Ratio (im Gegensatz zum Intellekt), die uns ein treuer Begleiter ist, aber einen Meister (nämlich unser wahres Selbst) braucht.
Den 22 Grossen Arkana sind die 22 hebräischen Buchstaben zugeordnet, beim “Narren” das Aleph. Damit tut sich eine weitere riesige symbolische Welt auf. Wer sich dafür interessiert, vertieft sich am besten in eines der Bücher von Paul Foster Case, die teilweise auch auf Deutsch erhältlich sind.
Mit dieser letzten “Narren”-Folge haben wir uns einen Schritt in eine Welt hineingewagt, um die viele, die sich allein von der Ratio führen lassen, einen weiten Bogen machen. Narren fühlen sich darin aber wohl und zuhause 😉
Am nächsten Samstag beginnen wir mit der Entdeckung einer historischen Persönlichkeit, die zu ihren Lebzeiten ganz Europa faszinierte und sowohl grosse Bewunderung wie radikale Ablehnung hervorrief, die schliesslich ein schreckliches Ende fand — und die in Basel und Umgebung ganz konkrete Erinnerungen zurückliess …
ibis
Juni 12, 2021
Beim Sturz aus dem 20. Stock der Gedanke auf Höhe des 10.Stocks: “Bis jetzt ist alles gut gegangen!” 😉
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Aber im Ernst: Persönlich mag ich Foster Cases Narrendefinition sehr. Wie auch die Verknüpfung mit dem Baum des Lebens. Und die Idee, die Tarotkarten nicht als Wahrsageinstrument zu lesen, sondern als Buch mit lauter losen und frei kombinierbaren Seiten, das uns immer wieder neue Geschichten erzählen kann, weil es voller Archetypen steckt und wie im “echten” Leben der Zufall die grössere Rolle spielt, als alles andere.
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Verantwortung im Hier und Jetzt zu übernehmen, tut trotzdem Not. Das darf bei allem “spielerischen” nicht vergessen werden.
Denn der “Witz” oben hat angesichts des Klimawandels eine bittere Note, die auch die endlose Freiheitsidee des Narren nicht versüssen kann.
Hans-Jörg Beutter
Juni 12, 2021
unter narren … vermutlich stammt daher die tendenz, u‑hohe türme zu basteln (oder mit büchler: megalomane käsereiben) auch wenn’s eisplatten regnen oder die dächer jahrelang undicht sein sollten – prinzip heile konzepthoffung):
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die dauer bis zum unumgänglichen aufprall wird merklich länger …
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das jämmerliche rudelwesen »menschli« (dieser hochtalentierte lemming) ist schlicht nicht in der lage zu anerkennen, dass sich grundsätzlich was ändern sollte. (sofern man denn weiterhin am prinzip »aufklärung« festhalten wollte …)
und es unternimmt sprichwörtlich ALLES, um ja nichts ändern zu müssen, schiebt sogar die folgegenerationen vor, denen man genau das gleiche gönnen möchte (inkl den zwangsläufigen folgen der klimakatastrophe)
mit zappa:
danach gibt’s endlich freiheit für »cockroaches & moss«
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ein überaus tröstlicher gedanke findi 😉