Ostern 2022: Wie­der ein­mal fan­tas­ti­sches Wet­ter, wie wir es an Ostern schon lan­ge nicht mehr hat­ten. Aber der Fei­er­tag ist die­ses Jahr über­schat­tet von düs­te­ren poli­ti­schen Ent­wick­lun­gen wie schon seit Lan­gem nicht mehr. Kann uns die Oster­bot­schaft da etwas helfen?

Der Theo­lo­ge Gott­fried Locher, gestrau­chel­ter ehe­ma­li­ger Prä­si­dent des evan­ge­li­schen Kir­chen­bunds und vehe­men­ter Geg­ner der Kon­zern­ver­ant­wor­tungs­in­itia­ti­ve, Ende März defi­ni­tiv aus der Kir­che aus­ge­tre­ten , betä­tigt sich neu­er­dings mit sei­nem “neu­en Wort zum Sonn­tag” als reli­giö­ser Kolum­nist bei der Welt­wo­che. Sei­ne “neue” Oster­bot­schaft hät­te aller­dings gar nicht kon­ser­va­ti­ver und bana­ler aus­fal­len können:
Es habe in den letz­ten 2000 Jah­ren noch nie ein Oster­fest gege­ben, ohne dass irgend­wo auf der Welt Krieg geführt wur­de. Der Tod sei all­ge­gen­wär­tig. Homo homi­ni lupus. Aber da gab es doch mal vor 2000 Jah­ren jemand, der habe es tat­säch­lich geschafft, dem Tod ein Schnipp­chen zu schla­gen, doch:
Die Auf­er­ste­hung eines Toten zurück zum Leben ist ein unmög­li­ches Ereig­nis, phy­si­ka­lisch, ana­to­misch, medi­zi­nisch unmög­lich. Das ist das Wesen von Ostern. Auf­er­ste­hung wäre kei­ne Auf­er­ste­hung, wenn man sie bewei­sen könn­te. Es geschieht ja schliess­lich etwas, das über­na­tür­lich ist. Aber viel­leicht soll­ten wir auch nicht ganz ver­ges­sen, dass doch vie­le Leu­te behaup­ten, sie hät­ten die­sen Auf­er­stan­de­nen gese­hen, dass vie­le Leu­te das so komisch fan­den wie wir heu­te auch … Bis heu­te begeis­tert die­se Bot­schaft die Men­schen seit 2000 Jah­ren und jetzt auch noch, und so emp­feh­le ich Ihnen, lie­be Zuschaue­rin­nen und Zuschau­er, las­sen auch Sie sich begeis­tern von Ostern. Man lebt anders mit Ostern unter der Haut. Man lebt irgend­wie posi­ti­ver, offe­ner für Neu­es. Wenn Sie Ostern ver­in­ner­li­chen, so sehen sie schon im Dun­kel das Licht am Hori­zont. Sie sehen, dass immer noch etwas kommt, etwas Neu­es, wenn etwas kaputt geht, dass wie­der etwas wächst, das ver­dorrt ist. Sie wis­sen, Ostern kommt zuver­läs­sig jedes Jahr und der Tod hat nicht das letz­te Wort.
Hand aufs Herz: Wie­vie­le Male haben wir genau die­se Bot­schaft schon von den vie­len Kir­chenkan­zeln gehört?

Mari­an­ne Wil­liam­son, die muti­ge Kämp­fe­rin für eine neue, gerech­te Welt, hat sich als Nicht-Chris­tin auch Gedan­ken zu Ostern gemacht. Sie ver­steht “Auf­er­ste­hung” auf eine völ­lig ande­re, wirk­lich neue Wei­se. Es lohnt sich, ihre Gedan­ken zur Kennt­nis zu nehmen:

Wir wer­den uns erhe­ben — oder wir wer­den es nicht.

Genau­so wie es exo­te­ri­sche For­men der Reli­gi­on gibt — von insti­tu­tio­nel­len Rea­li­tä­ten bis hin zu Dog­men und Dok­tri­nen — gibt es auch die eso­te­ri­schen, eher mys­ti­schen Schich­ten der Reli­gi­on. Ob wir an Ostern in Begrif­fen des äuße­ren oder des inne­ren Jesus den­ken, bestimmt, wie wir den Tag erleben.

Für den Mys­ti­ker ist Jesus nicht nur jemand, der vor zwei­tau­send Jah­ren gelebt hat, son­dern er lebt heu­te in den Her­zen der Men­schen. Die Bedeu­tung von Ostern ist nicht nur das, was in der Geschich­te gesche­hen ist oder was nur an einem Tag im Jahr geschieht, son­dern was in jedem Augen­blick geschieht, wenn Lie­be und Ver­ge­bung die angst­be­setz­ten Mäch­te der Welt überwinden.

Die Fra­ge, wie man die Ket­te der Fins­ter­nis durch­bre­chen kann, könn­te nicht aktu­el­ler sein als heu­te. Umwelt­zer­stö­rung, zuneh­men­der Auto­ri­ta­ris­mus und end­lo­ser Krieg sind der Stoff, aus dem unse­re kol­lek­ti­ve Kreu­zi­gung ist. Die Mensch­heit kann es nicht auf­hal­ten, weil sie es selbst tut; unser eige­ner Ver­stand ist eine Waf­fe gegen uns. Was der Pla­net jetzt braucht, ist eine kol­lek­ti­ve Auf­er­ste­hung, eine gött­li­che Für­spra­che von einem Denk­sys­tem jen­seits unse­res eigenen.

Es gibt auf dem Pla­ne­ten eine offen­sicht­li­che Inten­si­vie­rung sowohl der Dun­kel­heit als auch des Lichts, bei­des Kräf­te der pla­ne­ta­ri­schen Zer­stö­rung und der pla­ne­ta­ri­schen Erleuch­tung. Die Luft ist jetzt so sehr mit Toxi­zi­tät gesät­tigt, dass unser Geist, unser Kör­per, unser gesam­tes sozia­les Sys­tem das Unwohl­sein spürt. Selbst die Gläu­bi­gen, die ernst­haft und enga­giert spi­ri­tu­ell prak­ti­zie­ren, müs­sen Über­stun­den machen, um die schlei­chen­de Ver­zweif­lung in Schach zu halten.

Was wird nun gesche­hen? Wer­den Dun­kel­heit und Angst oder Licht und Lie­be den Kampf um die Zukunft gewin­nen? Wenn wir ein­fach auf­ge­ben und kapi­tu­lie­ren, wird die Dun­kel­heit ganz sicher gewin­nen. Wenn wir aber auf­ste­hen und uns weh­ren, dann könn­te die Dun­kel­heit auch gewin­nen. Doch gibt es eine ande­re Möglichkeit?

Inter­es­san­ter­wei­se, ja. Die ande­re Mög­lich­keit ist Ostern.

Ostern ist heu­te nicht so sehr ein freu­di­ges Fest — dafür ist in der Welt zu viel los — als viel­mehr ein lehr­rei­ches Fest. Es geht nicht dar­um, dass Gott die Fins­ter­nis besiegt, son­dern dass er die Fins­ter­nis über­win­det. Das Licht wird so hell, dass die Fins­ter­nis verschwindet.

Das ist kei­ne Theo­rie; es ist ein Gesetz des Bewusst­seins. Das Ein­zi­ge, wovor wir geret­tet wer­den müs­sen, ist das ver­rück­te Den­ken, das die­se Welt beherrscht, aber wir kön­nen die Welt nicht vor ihrem Wahn­sinn ret­ten, wenn wir selbst an ihm festhalten.

Es geht nicht nur um Jesus, es geht um uns. Sei­ne Auf­er­ste­hung war die Über­win­dung eines ein­zel­nen Men­schen; die heu­ti­ge Auf­er­ste­hung ist die Über­win­dung einer gan­zen Spe­zi­es. Wir selbst müs­sen die Ver­än­de­rung wer­den, und das ist die Auf­er­ste­hung. Gott kann nicht für uns tun, was er nicht durch uns tun kann. Wir müs­sen bereit sein, in einer ande­ren, höhe­ren Ver­si­on von uns selbst wie­der­ge­bo­ren zu wer­den, um das Wun­der der pla­ne­ta­ri­schen Trans­for­ma­ti­on zu voll­brin­gen. Die Welt, wie sie jetzt exis­tiert, ist ein Spie­gel­bild des­sen, was wir gewe­sen sind; die Welt der Zukunft wird wider­spie­geln, wer wir wer­den wol­len. Wir kön­nen die Über­win­dung haben, aber nicht, wenn wir uns an das Kreuz klammern.

Ob wir nun an der Ver­gan­gen­heit fest­hal­ten oder an unse­ren Süch­ten, an unse­ren Urtei­len, an unse­rer Opfer­rol­le oder an unse­rem gewalt­tä­ti­gen Ver­hal­ten — wir kön­nen die­se Din­ge haben, — oder wir kön­nen eine nach­hal­ti­ge Zukunft haben. Nur wenn wir dar­an arbei­ten, die Dun­kel­heit in unse­rem eige­nen Her­zen zu ver­trei­ben, kön­nen wir zu Trä­gern einer wun­der­sa­men Ver­än­de­rung werden.

Der Mes­si­as ist eine Geis­tes­hal­tung, die bedin­gungs­lo­se Lie­be, die unse­re eige­ne Erleuch­tung ermög­licht. Die Fra­ge ist nicht ein­fach, was wir tun müs­sen; die Fra­ge ist, wel­che Qua­li­tät des Mensch­seins wir ver­kör­pern müs­sen, um das zu tun, wor­um wir gebe­ten wer­den. Mir scheint, dass wir alle in die­sem Moment gefragt wer­den. In jedem unse­rer Leben gibt es einen Umstand, der uns her­aus­for­dert, einen schwä­che­ren Teil von uns selbst auf­zu­ge­ben und zu einem stär­ke­ren Teil auf­zu­stei­gen. Wir alle sind von die­ser Welt ver­wun­det, aber es ist unse­re Ent­schei­dung, ob wir aus der Wun­de her­aus han­deln oder nicht. Wenn wir aus der Wun­de her­aus han­deln, erhal­ten wir eine ver­wun­de­te Welt auf­recht. Wenn wir uns ent­schei­den, die Wun­de zu über­win­den, schaf­fen wir eine Welt, die neu gebo­ren wird.

Jesus hat der Welt kei­ne maka­bre Show gebo­ten, son­dern er hat die mole­ku­la­re Struk­tur des Uni­ver­sums ver­än­dert. Er eröff­ne­te Mög­lich­kei­ten zur Ver­än­de­rung, nicht nur für sich selbst, son­dern für die gan­ze Welt. Selbst die­je­ni­gen von uns, die sich nicht als Chris­ten mit sei­ner Geschich­te iden­ti­fi­zie­ren, kön­nen sich mit der meta­phy­si­schen Kraft der Auf­er­ste­hung und ihrer trans­for­mie­ren­den Wir­kung auf unser Leben iden­ti­fi­zie­ren. Eine Per­son, die den Griff der Fins­ter­nis durch­bricht, ebnet den Weg für alle, den Griff der Fins­ter­nis zu durchbrechen.

Hal­le­lu­ja. Gelobt sei Gott. Möge es so sein.

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