Im birsfälder.li gingen offensichtlich kürzlich die Wellen hoch: 15 Kommentare zum Beizensterben-Artikel von Ueli Kaufmann!! Davon träumt doch jeder Schreiber in unserer lebendigen Online-Zeitung …
Aber offensichtlich blieb am Schluss mehr als ein frustrierter Kommentarling zurück. Schade!
Ohne mich da noch einmischen zu wollen, möchte ich hier lediglich auf einen Vorwurf eingehen, der im Nachhinein noch geäussert wurde: Es geht um das “auf den Mann spielen”!
Konkret: Teilnehmer 2 kritisiert die Meinung von Teilnehmer 2 betreffend das Beizensterben und deren Ursachen. Teilnehmer 1 macht Teilnehmer 2 darauf aufmerksam, dass selbiger aufgrund seines beruflichen Hintergrunds zum Beizenthema vielleicht eine etwas eingeschränkte Sichtweise hat.
Jetzt gibt es genau zwei Möglichkeiten:
— Teilnehmer 1 fühlt sich düpiert und in seinem Berufsstand angegriffen, — und ist beleidigt.
— Teilnehmer 1 fühlt sich düpiert und in seinem Berufsstand angegriffen, — klopft aber zuerst einmal den Kommentar von Teilnehmer 2 auf dessen möglichen Wahrheitsgehalt ab. Nach gehabter Analyse hakt er entweder die ganze Sache ab oder schreibt eine fundierte Entgegnung.
Je nach Variante fühlt sich nun Teilnehmer 2 missverstanden, ist beleidigt, usw. usw.
Dieser Ablauf hat aber meiner Meinung nach mit “auf den Mann spielen” überhaupt nichts zu tun! “Auf den Mann spielen” würde bedeuten, dass man Teilnehmer 1 oder 2 als unkompetent und/oder verlogen und/oder schlichtweg dumm, usw. usw. abqualifiziert.
Das ist aber in der ganzen Kommentarreihe nicht ein einziges Mal geschehen. Also: Wo war das Problem!?
Ich habe mir erlaubt, im birsfälder.li das eine oder andere Mal dem Herausgeber der Weltwoche etwas an den Karren zu fahren. Habe ich damit auf den Mann gespielt?
Mitnichten: Ich habe besagten Herausgeber weder als verlogen, noch als dumm, noch als unkompetent hingestellt, als erklärter Gegner seiner politischen Ansichten aber deutsch und deutlich zu erklären versucht, warum ich sie als gefährlich ablehne.
Um das Thema noch etwas auszuweiten: Als ehemaligem Deutsch- und Geschichtslehrer kommen mir natürlich sofort zwei historische Beispiele in den Sinn, wo zwar die Fetzen flogen, aber ohne, dass auf den Mann gespielt wurde: die Dunkelmännerbriefe aus dem 16 Jhdt. oder der Anti-Goeze von Gotthold Ephraim Lessing.
Oder, um etwas aktueller zu werden: Wenn die Demokraten gerade daran sind, ein Amtsenthebungsverfahren gegen Trump einzuleiten, hat das mit “auf den Mann spielen” erneut nichts zu tun, weil sie lediglich knallharte Fakten für sein Fehlverhalten an den Tag brachten. Wenn Trump seine politischen Gegner aber jeweils namentlich als Idioten, Lügner und hinterhältige Schurken abqualifiziert, hingegen sehr wohl.
Mal schauen, ob ich es auch auf 15 Kommentare bringe 😉
Christoph Meury
Dez 6, 2019
Man könnte diesen Kommentar jetzt natürlich radikal abqualifizieren, indem man ihn als intellektuellen Dünnpfiff oder akademische Wort- und Sinnklauberei verballhornt, oder aber, man könnte ihn als Versuch verstehen den Diskurs/Disput wieder auf die Beine zu stellen. Letzteres wäre wünschenswert. Das Palaver kann ja auch eine Kunstform sein und tastet schreibend mögliche Wahrheiten auf Brauchbarkeit ab, oder umkreist, mit mehr oder weniger rhetorischem Fingerspitzengefühl, erahnte Fettnäpfe. April! April! Gilt demjenigen der, oder die, sich persönlich betupft fühlt und seine/ihre Sicht als letzte Wahrheit proklamiert, um sie an die Schwarze Tafel zu heften, oder den Tunnelblick soweit einengt, dass nur noch ein humorloses ICH übrig bleibt.
In diesem Sinne als Erstkommentar und Animation zur weiterführenden freien Rede.
max feurer
Dez 6, 2019
Danke für den ersten Kommentar! Als intellektuelles Leichtgewicht musste ich ihn allerdings zweimal lesen 😉
Nochmals: Einmal abgesehen von der offensichtlich etwas verunglückten Diskussion zum Thema“Beizen“scheint es mir heute für eine sinnvolle Diskussionskultur einfach zentral, die Argumente eines Diskussions“gegners“erst einmal ernst zu nehmen, die eigene emotionale Reaktion darauf zu prüfen (und die kann höchst aufschlussreich sein), und dann nach bestem Wissen und Gewissen Stellung zu nehmen. Wir haben heute viel zu viele Leute im “Opfermodus”, die gleich aufheulen, wenn man ihnen nicht gleich beistimmt.(Sämtliche TeilnehmerInnen des erwähnten Kommentar-Threads sind selbstverständlich ausgenommen 🙂