Die beiden Velofahrer haben wohl trotz schneller Fahrt die Laudatio vom Basler Kunsthistoriker Michael Babics auf das umfangreiche Werk und den Künstler Jakob Engler verpasst.
Birsfelder haben noch bis zum 22. September jeweils Mittwoch und Sonntag die Möglichkeit Englers Arbeiten zu sehen und hoffentlich wertzuschätzen. (siehe Veranstaltungskalender).
Zudem befinden sich 8+1 schwergewichtige Skulpturen derzeit im öffentlichen Raum zwischen “Haltestelle Schulstrasse” und “Birsfelder Museum”.
Wir danken Michael Babics für die Übermittlung der Laudatio, gehalten an der heutigen Vernissage. Den Text können Sie hier nachlesen:
Jakob Engler
“Es gibt für mich eine direkte biografische Verbindung zum Werk von Jakob Engler. Beim Schulhaus Känelmatt in Therwil, wo ich mehrere Jahre in die Schule ging, steht ein grossformatiges Werk in Beton von ihm, das lebendige Erinnerungen in mir weckt. Grund genug mich mit Jakob Engler und seinem Werk zu beschäftigen und so treffen wir uns erstmals am Bahnhof in Therwil. Auf dem Weg zu seinem Atelier erzählt er mir über ihr ehemaliges Haus, das sie in den 50 Jahren gekauft, später abgerissen und neu gebaut haben. Es stand neben einem Bauernhof inmitten von Kirschbäumen mit freier Sicht in die Landschaft. Heute ist die freie Sicht einem Meer an Einfamilienhäusern gewichen. Ein halbes Jahrhundert ist vergangen. Jakob Engler hat viel gesehen, erlebt und geschaffen in seiner Jahrzehnte dauernder Zeit als aktiver Künstler.
Er erzählt von einem Haus in Spanien in der Nähe von Girona, das er einmal gekauft und jahrelang während der Hälfte des Jahres bewohnt hat. Die Spanier haben sich mit seinen Arbeiten identifiziert, da die Materialität seiner Werke sie faszinierte. Viele Kinder seien zu ihm ins Atelier gekommen. Einige die später auch Kunst studiert haben.
In seinem Haus in Therwil fahren wir schliesslich mit dem Lift in den Untergrund und betreten ein Kämmerchen, das auf allen Seiten mit Gestellen versehen ist, auf welchen zahlreiche Kleinskulpturen stehen. Ich komme mir vor wie im einem Miniatur-Museumslager, nur sind die Werke nicht von verschiedenen Künstlern. Dicht an dicht stehen die Werke. Viele aus Bronze und Eisen, einige aus Metall kombiniert mit Stein oder Ton, wenige aus Aluminium, aus Polyester oder Chromstahl. Das Material sei ihm nicht so wichtig, sondern das was man machen will. „Jedes Material hat seine Grenze“ sagt er. Indem er immer wieder neue Materialien verwendet, besteht laut ihm „weniger die Gefahr, sich endlos zu repetieren.“ Seiner persönlichen Sprache bleibt er über Jahrzehnte hinweg treu.
Bei der Entstehung seiner Werke möchte er seine Empfindung ausdrücken. „Ich spiele wie ein Kind im Sandkasten“ sagt er. Wenn er eine neue Plastik anfängt, weiss er noch nicht, wohin der Weg führen wird. Er folgt frei der Intuition. Manchmal hört er Musik bei der Arbeit, Barock oder Jazzmusik. Weil bei beiden die Improvisation eine wichtige Rolle spielt.
In seinen Werken findet ein Dialog zwischen Form, Raum, Zwischenraum und Material statt. Dialog ist, versichert mir Jakob Engler ohnehin ein wichtiger Begriff für ihn. Im Dialog sollen seine Werke funktionieren. Als Dialog zwischen Künstler und Werk, zwischen Betrachter und Werk, zwischen Werk und Umraum und als Dialog zwischen zwei verwendeten unterschiedlichen Materialien.
Als Plastiker versteht sich Jakob Engler auch als Raumgestalter. Er platziert seine Werke im Raum und schafft selbst Räume in seinen Plastiken. Der Zwischenraum seiner Werke, die Negativform, sei genauso wichtig wie die materielle Form. Und so ist auch bei einigen Werken die Beschäftigung mit Architektur ablesbar. Bei seinen zahlreichen auch grossformatigen Kunst am Bau Projekten hatte Jakob Engler immer wieder mit Architekten Kontakt. Diese werden im Verlaufe eines Projektes während vielen Sitzungen und Diskussionen zu guten Freunden.
Wenn Jakob Engler Farben sieht, fallen ihm zuerst die Hell Dunkel Werte auf. Dies geschieht nicht zufällig, denn in der Bildhauerei spielen Licht und Schatten eine entscheidende Rolle. Farben sind in seinem Werk immer nur sparsam eingesetzt worden. Es sind die subtilen Hell-Dunkelnuancen, die in seinen plastischen Werken zusätzliche Räumlichkeit suggerieren.
Hier vor dem Haus stehen einige seiner grossformatigen Werke der Witterung ausgesetzt im Aussenraum. Bei unterschiedlicher Tageszeit und wechselnden Lichtverhältnissen kann das changierende Schattenspiel und die sich dabei verändernde räumliche Wahrnehmung beobachtet werden.
Neben der Bildhauerei entstehen immer wieder Arbeiten auf Papier, die auch in dieser Ausstellung eine präsente Rolle spielen. Obwohl manchmal wie Entwürfe für seine bildhauerische Arbeit aussehend haben sie einen eigenständigen Werkstatus. Es kann aber sein, dass Jahre später eine plastische Arbeit entsteht, die einer Zeichnung gleicht. Unbewusst und überraschend ergeben sich so spannende Wechselbeziehungen.
Die Beschäftigung mit der Natur hat für Jakob Engler eine grosse Bedeutung. Er begrüsst den Widerstand, den die junge Generation zur Zeit leistet, indem sie gegen den Klimawandel protestiert. „J’aime les arbres“ sagt er mir schmunzelnd. Ich liebe die Bäume. Das kann ich gut nachvollziehen, denn wenn ich mit diesem Blick über die vielen Kleinskulpturen schweife, erkenne ich überall kleine Bäume. Unten verjüngt, nach oben auseinandergehend, und im Abschluss wieder vereinend.
Genauso scheint auch die menschliche Figur omnipräsent. Es sind humane Plastiken. Der Mensch, die Natur, die Symbiose zwischen Mensch und Natur das sind die zentralen Themen in Jakob Englers Werk.”
Michael Babics