Meine staatsbürgerliche Pflicht ist getan, das verschlossene Wahlcouvert liegt bereit, um morgen in den Gemeindebriefkasten geworfen zu werden. Nach dem Studium all der Wahlslogans und Broschüren die grosse Erleichterung: Alea iacta est :-). Jetzt müssen meine Kandidaten/-innen nur noch gewinnen …
Allerdings, — in der letzten Woche hat sich bei mir doch noch ein stiller, aber nagender Zweifel eingenistet. Auslöser war die Lektüre eines Artikels aus der kleinen, aber feinen Zeitschrift “Zeitpunkt” (Jan/Feb 2013): “Die Farbe der Macht ist grau”. Der Herausgeber besagter Zeitschrift hat ein Interview mit Klaus J. Stöhlker geführt. Wer von Stöhlker noch nie etwas gehört hat: Er war einer der bekanntesten und effizientesten PR-Berater der Schweiz und führt — nebenbei erwähnt — den Erfolg der SVP auf seine für die Partei verfasste “Wahlkampf-Fibel von A bis Z” zurück.
Hier ein paar Auszüge aus dem Interview:
“Politiker, die Klartext sprechen, haben keine Saison. Sie sind mega-out. Selbst Blocher war kein Klartext-Politiker, sondern hat die starken Worte immer nur für seine Zwecke eingesetzt. … Wir leben in der “Zeit der grossen Verwedler”, — und dann meint er, dass die real praktizierte Politik und die Sprache, in der sie vermittelt werde und die unter den Bürgerinnen und Bürgern eine gemeinsame Realität schaffe, seit dem Ende der 70-er Jahre auseinandergedriftet sei.
Seither gebe es eine A‑Schweiz, nömlich die zunehmend entdemokratisierte Domäne, in der die globalisierte Wirtschaft und ihre Handlanger in Verwaltung, Parteien, Hochschulen und Anwaltskanzleien die Regeln und die Themen bestimmen würden, und in der grosse Summen verschoben würden.
Die B‑Schweiz auf der anderen Seite werde von Menschen bevölkert, die noch an die direkte Demokratie glaubten und überzeugt seien, sich in der Realwirtschaft eine Zukunft sichern zu können. Es sei die “alte Schweiz” des Gewerbes, der Vereine und der Beziehungen. Das Problem: Sie habe einfach noch nicht gemerkt, dass sie dem schleichenden Untergang geweiht sei.
Wer den ganzen Artikel lesen möchte, findet ihn hier zum Download: Die Farbe der Macht
Nachdem wir mit dem Vorstoss von FDP-Noser zur Verhinderung des Gegenvorschlags-Geschäfts (Konzernverantwortungsinitiative) im Ständerat ein perfektes Beispiel für eine der beiden Schweiz-Varianten gefunden haben (Raten Sie, welche …), hoffe ich jetzt einfach, dass meine Kandidaten/innen, denen ich meine Stimme gab,
a) tatsächlich gewählt werden
b) den Mut haben, auch unbequeme Wahrheiten auszusprechen und für sie zu kämpfen.
Und falls ein geneigter Leser/ eine geneigte Leserin sich noch auf philosophischer Ebene mit dem Thema “Wahrheit” auseinandersetzen möchte, findet er/sie hier noch einen zweiten lesenswerten Artikel aus dem “Zeitpunkt”: Wahrheit und Bullshit
Der Zeitpunkt-Herausgeber hat übrigens im Zusammenhang mit den Nationalrats- und Ständeratswahlen noch eine gute Idee präsentiert: den “Original Stimmkraft-Verstärker :-)”
karin weber
Okt 20, 2019
Vielen Dank für den Link zur Stimmkraftverstärkung!