Eine lako­ni­sche und kitsch­freie Vor­weih­nachts­ge­schich­te. Heu­te aus face­book her­aus­ge­fischt und jetzt mit der freund­li­chen Geneh­mi­gung des Autors auch hier im “Birsfälder.li”. (Red.)

Sze­ne mit einem Bett­ler. Vor dem Migros Drei­spitz. In der Woche, als der Bas­ler Gros­se Rat das Bet­tel­ver­bot wie­der ein­ge­führt hat.

Ein Well­blech­dach bie­tet neben dem Fuss­weg von der Tram­hal­te­stel­le «M Parc» zum Migros Drei­spitz ein wenig Schutz vor Regen. Dort hat sich ein Bett­ler ein­ge­rich­tet. Er liegt auf einer Kar­ton­un­ter­la­ge in einem Schlaf­sack. Vor ihm, ganz am Rand des Fuss­wegs, ein Kar­ton­be­cher, in den Vor­bei­zie­hen­de dann und wann eine Mün­ze werfen.

Es ist einer der Bett­ler, die in Basel bet­teln, seit sie dür­fen. Solan­ge wohl, bis er nicht mehr darf und die ande­ren auch nicht mehr dür­fen. Es ist ja ein Hin und Her um die­ses Bet­teln in die­ser Stadt. Den einen erwei­chen die Bett­ler und Bett­le­rin­nen und ihre Kin­der das Herz, den ande­ren ver­här­ten sie es.

Vom Migros Drei­spitz her kommt ein Mann daher, unter­wegs zur Tram­hal­te­stel­le wohl. Er ist Mit­te dreis­sig, trägt unter dem lin­ken Arm sei­ne Ein­käu­fe, in der rech­ten Hand ein Gebäck, das er über sei­ner her­un­ter­ge­zo­ge­nen Gesichts­mas­ke stück­chen­wei­se dem Mund zuführt. Er scheint es weder sehr eilig zu haben, noch trö­delt er.

Auf der Höhe des Bett­lers macht er einen klei­nen Aus­fall­schritt und spickt den Kar­ton­be­cher weg. Die Mün­zen flie­gen kurz durch die Luft, rol­len dann wei­ter, bis sie auf die eine oder ande­re Sei­te kip­pen und lie­gen blei­ben. Der Bett­ler erschreckt, muss offen­bar erst zur Kennt­nis neh­men, was gesche­hen ist, ruft dem Mann einen Fluch nach, schält sich aus dem Schlaf­sack und sam­melt die Mün­zen auf dem Fuss­weg ein. Der Mann mit den Ein­käu­fen unter dem lin­ken Arm und dem Gebäck in der rech­ten Hand schaut nicht zurück.

Urs Bue­ss

Titel­fo­to: Urs Buess

Tür.li 18 (2020)
Tür.li 19 (2020)

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