Vor nicht allzulanger Zeit hat sich in der Weltwoche, die laut eigener Aussage mit Lust und Konsequenz gegen den eintönigen Mainstream-Pressestrom schwimmt, etwas Erstaunliches ereignet: Obwohl sie — zusammen mit Gottfried Locher — mit den Kirchen seit der Konzernverantwortungsinitiative das Heu nicht mehr auf der gleichen Bühne hat, stimmt der WW-Chefredaktor neuerdings ein grosses Loblied auf das meistgelesene und ‑gedruckte Buch der Weltgeschichte an. So schreibt er im Editorial “Schatzkammer der Menschheit” voller Begeisterung:
Die Bibel ist die Schatzkammer der Menschheit. Ein Buch voller Weisheit. Ein Buch voller Wirklichkeit. Wir haben die Bibel vergessen. Man sollte sie wieder lesen. … Heute glauben viele nicht mehr an Gott oder an die Bibel. Sie glauben an alles Mögliche, an sich, an den Staat, an die Natur, an die Wissenschaft, an nichts, an Greta. … Die Wissenschaft vermittelt Kenntnis, Wissen. Die Bibel liefert Weisheit. … Es gibt Leute, die sagen, dass es ohne die Bibel, ohne Gott keine Moral geben kann. Sicher schadet es nicht, die Bibel zu lesen, wenn man etwas über Moral erfahren will. Es stimmt, die Bibel redet von etwas, was man nicht begreifen kann, von Gott. Aber durch die Art, wie sie über Gott spricht, sagt sie enorm viel über den Menschen aus. … Indem die Bibel Gott auf den Thron hebt, entthront sie den Menschen. Das war, das ist bis heute der Urknall der Freiheit. Wo es keinen Gott im Himmel gibt, droht die grenzenlose Tyrannei auf Erden. Und umgekehrt: Wo ein Gott im Himmel der Macht der Menschen Grenzen setzt, beginnt die Freiheit. Ohne die Bibel gäbe es die Freiheit nicht. Keine Schweiz ohne Gott. ... (Fortsetzung folgt)
Potzblitz, wenn das keine Liebeserklärung an die Bibel ist, chapeau 🙂 ! Allerdings fällt mir beim Lesen sofort eine wahrscheinlich etwas dümmliche Frage ein: Wen oder was stellt sich Roger Köppel eigentlich unter seinem “Gott im Himmel” vor!? Ist da plötzlich die grosse Erleuchtung über ihn gekommen?
Das wohl nicht gerade, denn er konzediert immerhin selbstbescheiden: Jeder Mensch läuft Gefahr, aus der Bibel nur das herauszulesen, was ihn bestätigt in seinen Vorlieben und Meinungen, — um dann allerdings schon etwas weniger bescheiden fortzufahren: Ich bilde mir ein, ein paar zeitlose Wahrheiten zu erblicken.
Tatsächlich lässt er uns immer wieder mal an einer solchen zeitlosen Wahrheit teilhaben, z.B. in seinen Weltwoche Daily-Kommentaren. Hier ein eindrückliches Beispiel seiner tiefen Erkenntnis im Zusammenhang mit dem tatsächlich ziemlich idiotischen Vorstoss von SP-Mann Fabian Molina im Nationalrat, den Gottesbezug in der Bundesverfassung zu streichen und durch einen Hinweis auf unsere Verantwortung für die Umwelt zu ersetzen:
Das ist der Rückfall vom Christentum in die heidnische Naturreligion. Das ist sozusagen die Wiedergeburt der indianischen Naturvergötterung, einer antiken Heiligsprechung von Naturgöttern, die jetzt also in der Bundesverfassung im Jahr 2021 wieder bekräftig werden soll. … Lassen Sie mich dazu einen abschliessenden Gedanken formulieren: … Ohne Gott keine Schweiz, ohne Gott keine Freiheit … ein zentraler Gedanke des Christentums. Indem die Christen die Naturgötter und die Menschen als oberste Götter entthront haben und einen Gott installiert haben, der nicht von dieser Welt ist, haben sie der Freiheit zum Durchbruch verholfen, denn wenn die höchste Autorität nicht von dieser Welt sein kann, darf sich eben kein Mann, kein Mensch, keine Instanz, keine Natur, keine Greta, kein Fabian Molina diese höchste Autorität anmassen. Und die Entthronung Gottes in der Politik führt zwangsläufig zur Tyrannei von Menschen über andere Menschen, und das im Zusammenhang mit dieser Umweltreligion, mit dieser Greta-Religion, die auch tatsächlich in die Verfassung geschrieben werden soll, das zeigt, wie weit dieser freiheitsfeindliche Aberglaube in der Schweiz schon fortgeschritten ist .…
Sowohl in seinem Editorial wie auch im Podcast bekräftigt Köppel also, dass es ohne Gott keine Freiheit und keine Schweiz gibt. Und er konstruiert einen klaren Gegensatz zwischen Christentum und heidnischen Naturreligionen.
Hat er recht? Diesen entscheidend wichtigen Fragen möchte ich in den kommenden Folgen nachgehen, — und diese erste Folge mit einem Gebet der Lakota (Sioux) abschliessen:
Wakan Tanka, Great Mystery,
teach me how to trust
my heart,
my mind,
my intuition,
my inner knowing,
the senses of my body,
the blessings of my spirit.
Teach me to trust these things
so that I may enter my Sacred Space
and love beyond my fear
and thus walk in Balance
with the passing of each glorious Sun.
Fortsetzung am kommenden Do, den 1. April, — kein Scherz 😉
Das Bild zeigt den Lakota Bad Wound, einem Vertreter der “heidnischen Naturreligion”, anlässlich eines Besuchs in der Regio Basiliensis in den 70-er Jahren.