Ab heute Abend steppt für drei Tage wieder einmal der Bär auf dem Kirchmatt-Areal. Es ist Birsfälder Chilbi, das alljährliche Dorf-Fest, an dem man alte Bekannte trifft, die Vereine für das leibliche Wohl und Bahnen für leuchtende Kinderaugen und umorganisierte Mägen sorgen. Beim Schlendern über den Platz wird einen auch in diesem Jahr das angenehme Gefühl der Vertrautheit beschleichen, wenn das Felchenfilet die Friteuse verlässt, der Fondue-Geschmack bis in die Kaffee-Stube durchdringt, der Hamburger mit Extra-Zwiebeln serviert wird, Piraten die Bar entern, die “Lööösli”-Verkäuferin zum fünften Mal vorbeikommt und im Hintergrund der Swing-Up bei überlauter Musik seine Runden dreht. Es wird sein wie immer.
Gut, früher stand an der Stelle des Swing-Ups der nostalgische Kettenflieger und auch sonst trifft man ab und zu mal etwas neues an. Und es ist schon einiges verschwunden, was jahrelang zum Chilbi-Bild gehört hat. Die Zeiten, als im Schulhaus bis in die oberen Stockwerke Betrieb geherrscht hat, sind aber definitiv vorbei und irgendwie hat man eher das Gefühl, die Chilbi wird durchgeführt, weil man weiss, wie es läuft und weil man als Verein auf die Einnahmen nicht verzichten kann. Richtiger Enthusiasmus ist selten mehr spürbar — für gute Stimmung sorgt nicht zuletzt das fünfte Bier nach dem zweiten Shot. Die Initiative daran etwas zu ändern, wird quasi ertränkt.
Dabei hat alles mit viel Initiative begonnen, seinerzeits nach der grossen 100-Jahr-Feier im Jahre 1975. Dem bis dahin schlummernden Bedürfnis nach Zelebrieren der öffentlichen Dorfgemeinschaft hat das damalige Fest offensichtlich die Augen geöffnet und so ist drei Jahre später unter dem Patronat der IG Birsfelden und des damals noch stolzen Gewerbevereins die Chilbi in Leben gerufen worden. Jung und Alt bauten zusammen einen bunten Anlass auf, gespickt mit frischen Ideen: Auf dem Hauptplatz konnte man sich den Spaghetti-Teller mit Korbwürfen verdienen und im dichten Gedränge des Dart-Club-Zelts dauerte die Party bis tief in die Morgenstunden. Parallel zur gemütlichen Sause wurde alternierend eine Gewerbeschau auf die Beine gestellt, zu deren Zweck auch leicht einmal der gesamte Platz vor der Schwimmhalle überdeckt werden konnte. Jedem Kind war klar, wo welches “Bhaltis” zu ergattern war und wenn im Spätsommer des nächsten Jahres das erste (und immer gleiche) Plakat die Rückkehr des Rummels ankündete, hoffte man fest, dass es wieder eine Ausgabe mit Gewerbeschau sein möge — mit Essen und Trinken allein konnte man als Kind ja schliesslich nicht allzu viel anfangen.
Das Plakat wurde mittlerweile modernisiert und verspricht optisch ein bunteres Treiben als die Ur-Version. Die “Spezialitäten” von damals haben sich zu “vielen guten” vermehrt und zu den “Beizli” sind die “Bars” gestossen. Doch ist das nicht mehr Schein als Sein? Wo finde ich heute die “Schiess-Stände”? Und was ist mit dem “Ski-Hütte-Kaffi” passiert?
Die Chilbi hat zu kämpfen. Sie kämpft mit teurer werdenden Rahmenbedingungen, wie etwa für Sicherheit, einem wetterabhängigen Publikumsaufmarsch, einer sich immer weiter im Anonymen bewegenden Einwohnerschaft und sie steht im Wettbewerb mit zahlreichen anderen Anlässen in der Nachbarschaft. Nicht zuletzt kämpft sie auch mit der Demografie, die sich direkt und ganz konkret auf das Vereinsleben auswirkt, welches gesellschaftsentwicklungsbedingt ohnehin schon geschwächt ist. Aber so ist das heute eben: “Work-Out” macht man im Fitness-Studio und geniesst das Bier anschliessend frisch geduscht.
Die für eine dringend benötigte Weiterentwicklung fehlenden Ressourcen sind in erster Linie eigentlich nur anpackende Hände, Idealismus und Mut zum Risiko. Doch wer deckt heute so etwas ab. Wer kann bzw. will es sich leisten, in der raren Freizeit trotz viel Engagement vielleicht auch einmal auf die Nase zu fliegen. Dazu fehlt im Dorf irgendwie schlicht die Dynamik und das Personal. Deshalb geniessen wir das Bier an der Birsfälder Chilbi doch noch, bevor sie zur blossen Kindheitserinnerung wird. Am liebsten leicht verschwitzt, nach der Einsatz-Schicht auf dem Festplatz!
Diego Persenico
Sep 27, 2013
florian dettwiler du hast das so gut beschrieben und mich “glustig” auf die Chilbi gemacht.
Bist ein ganz toller Mensch für mich!
florian dettwiler
Sep 27, 2013
Merci! Dann sieht man sich ja vielleicht.