Dass bildende Künstler*innen gele­gentlich oder häu­fig Werke befre­un­de­ter Autoren illus­tri­eren ist bekan­nt. Bekan­nt sind auch Bildbe­sprechun­gen, in Worte gefasste Beschrei­bun­gen, was auf einem Gemälde zu sehen ist. Die Autoren Rudolf Buss­mann, Christoph Weg­mann und Mar­tin Zingg haben den Spiess umge­dreht, nicht Texte wer­den illus­tri­ert, son­dern Gemälde wer­den betex­tet.
So geschehen in der Lit­er­arischen Mati­nee am ver­gan­genen Son­ntag im Birs­felder Muse­um zu
Gemälden von Stephanie Grob.
Das Kontin­gent von 50 angemelde­ten und reg­istri­erten Besuch­ern war schnell erschöpft. Allen Kun­st- und Lit­er­aturfre­un­den, die nicht dabei sein kon­nten, Hier drei Beispiele. Heute:
Mar­tin Zingg

In ihren Bildern scheint Stephanie Grob nichts auszu­lassen, keine Aus­drucksmöglichkeit: Sie kann von ver­hal­ten hingekauert bis zu laut­stark auf­brechend so ziem­lich alles zeigen, vom hinlaviert Milchi­gen bis zur dröh­nen­den Far­ben­faust ist alles eine Frage der Wahl, ihre Reg­is­ter erlauben ihr jede Schat­tierung, jedes spez­i­fis­che Gewicht. Ihren Fig­uren beispiel­sweise kann man es anse­hen: mal wer­den sie mit dick­en, wie hinge­fet­zt wirk­enden Strichen zur vor­läu­fi­gen Ruhe gebracht (oder daraus aufgescheucht), mal verdün­nen sie sich zu Fil­igran­fig­uren, die dann über­raschend tief ins Bild streben und die Fläche zum Raum aus­bauen ‒ ganz zur Ruhe kom­men Stephanie Grobs Fig­uren jeden­falls nie. Es gibt immer wieder unver­mutete Abzwei­gun­gen, immer wieder die Launen des Aben­teuer­glücks, ein über­raschend sich wei­t­en­des Gelände, wo die Fig­uren wie aus dichtem Dschun­gel hin­aus­treten kön­nen auf eine helle Lich­tung, um dort deut­lich­er zu wer­den. Ohne­hin gibt es vieles, was nur in der Bewe­gung, in der ständi­gen Verän­derung ken­ntlich wird. Im Zus­tand der Ruhe bleibt manch­es undeut­lich.

Such­be­we­gung, Spuren­suche.

Irgend­wo ‒ wo, ist später ver­mut­lich nicht mehr auszu­machen ‒ zün­gelt eine Idee, raschelt eine Erin­nerung und treibt sie, drängt sie, bit­tet sie, het­zt sie, schiebt sie bis zur vor­läu­fi­gen Erlö­sung im Bild. Und dann geht es gle­ich weit­er, denn natür­lich muss die Spur, muss jede Spur immer wieder neu aufgenom­men wer­den. Mit jedem Bild rückt das Gesuchte um ein winziges weit­er weg, also muss ein neues her, abkürzen geht nicht. Jedes Bild hat soeben eine Lücke gestopft, neben der entste­ht gle­ich eine neue Lücke. Zusam­men ergeben die Bilder wieder ein Bild ‒ zum Beispiel diese Ausstel­lung hier.

Und dieses Bild bleibt in Bewe­gung.

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Näch­ste Lyrik-Mati­nee im Muse­um:
Son­ntag 1. Novem­ber 11.15 Uhr. Es lesen:
Erwin Mess­mer
Li Mol­let
Raphael Reift

CORONA: Neues von Bund und Kanton BL
Das fiktive Plakat 46

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