Dass bildende Künstler*innen gele­gentlich oder häu­fig Werke befre­un­de­ter Autoren illus­tri­eren ist bekan­nt. Bekan­nt sind auch Bildbe­sprechun­gen, in Worte gefasste Beschrei­bun­gen, was auf einem Gemälde zu sehen ist. Die Autoren Rudolf Buss­mann, Christoph Weg­mann und Mar­tin Zingg haben den Spiess umge­dreht, nicht Texte wer­den illus­tri­ert, son­dern Gemälde wer­den betextet.
So geschehen in der Lit­er­arischen Mati­nee am ver­gan­genen Son­ntag im Birs­felder Muse­um zu
Gemälden von Stephanie Grob.
Das Kontin­gent von 50 angemelde­ten und reg­istri­erten Besuch­ern war schnell erschöpft. Allen Kun­st- und Lit­er­aturfre­un­den, die nicht dabei sein kon­nten, Hier drei Beispiele. Heute:
Christoph Weg­mann

Wie es ist, ein Bär zu sein

Sie ist auf allen Vieren schnell, sehr schnell, aufrecht gehn ist
mühevoll, kaum ein andr­er aber kann’s wie er. Aufrecht
tanzt er mit dem Baum, siehst mehr, kommst leicht an alles Süsse
Beeren & Honig & Knospen. Am Boden puhlt sie nach Maden,
Ameisen. Er hat ein Herz aus Fleisch. Aufrecht ringt er mit
andern Män­nchen. Es gibt also oben und unten. So ist es.
Erin­nerst dich unscharf an Raufer­eien mit Hundemeuten
und Leop­ar­den, blutige Schlacht­en, das Grölen der Menge.
Der Prob­lem­bär mag es nicht, wenn er «Meis­ter Petz»
gerufen wird. Noch schlim­mer: «Zot­tel­bär». Wer’s trotzdem
tut, sieh’ sich vor: »bär­beis­sig« – bloss ein Hilfsausdruck.
Sie lässt sich nicht gern auf den Arm nehmen. So ist es.
Von Gren­zen weißt du rein gar nichts als Bär an sich. Drum lernen
junge Bären früh, Park­tore hin­ter sich zu schliessen. Denn
Men­schen, die vorm Bär die Scheu ver­lieren, sind sehr gefährlich.
Einst kon­nten Men­schen noch in Bären sich verwandeln.
Lange her. In Duft­spuren stre­unen. Ein Schat­ten sein, ein verhuschter
Schat­ten in den Nebelfeldern sein. Ein schwarz­er Hügel
sein, ein wan­dern­der Hügelfleck im Gebirge. Ein triefend­es Bündel
sein, als triefend­es Bün­del dem Ufer ent­lang trot­ten. Es gibt Orte und Orte.
Schüt­telt sie den nassen Pelz, glitzern tausend Tropfen als
Sil­ber­wolke um ihn her. Die schwarze Schnau­ze, die immerfeuchte,
ruck­elt beim Schnobern, den ver­grämten Feind riechst
leicht gegen alle Winde. Auch ein Weibchen. Die Bärenpaarung
dauert eine Woche. Nur sel­ten lassen sich die Menschenfraun
zu einem Tanz ver­führen. (Was eine Erfahrungslücke ist.)
Geschwätzig bist nicht. Dein Schnar­ren und Klap­pern und Husten
verklingt in den Wäldern. Nur sel­ten hört man einen modulierten
Brum­mge­sang wie von heis­ern Vögeln.
Was willst du dann bloss sagen?
Wie es ist, ein Bär zu sein? Vielleicht.

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Näch­ste Lyrik-Mati­nee im Museum:
Son­ntag 1. Novem­ber 11.15 Uhr. Es lesen:
Erwin Mess­mer
Li Mol­let
Raphael Reift

Birsfelder Fasnacht 2021 abgesagt
Schon wieder so ein Fremdwort — aber ein wichtiges

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