In der Nacht vom  23.3. auf den 24.3. hat uns der Birs­fel­der Künst­ler Chris­toph Gloor ver­las­sen. Chris­toph war uns­rer Redak­ti­on freund­schaft­lich und zeich­ne­risch sehr verbunden.
Alle wuss­ten von sei­ner ange­schla­ge­nen Gesund­heit, doch bei guten Freun­den wer­den die Gedan­ken an den letz­ten Schritt häu­fig ver­drängt, auch von uns.
So trifft der Abschied unse­re Leser über­ra­schend, uns ins Mark. Eine sei­ner let­zen Arbei­ten, die Vignet­ten der 12 Stern­zei­chen, wird uns noch ein Jahr lang begleiten.

An Stel­le eines Nach­rufs hier noch ein­mal mei­ne Lau­da­tio zu sei­ner Aus­stel­lung “Selbst­bild­nis”
die das Birs­fel­der Muse­um vor einem knap­pen Jahr zu Gloo­rs 80. Geburts­tag einrichtete.

Gloor Lau­da­tio, 19.8.2016 Birs­fel­der Museum

.…. “Und nun zu Chris­toph Gloor: Mei­ne ers­te Begeg­nung fiel auf einen ers­ten Advents­sonn­tag. Es gehör­te vor rund 60 Jah­ren für mei­ne Eltern dazu, nach dem Kirch­gang mit dem VW-Käfer in die Stadt zu fah­ren, auf dem Markt­platz zu par­ken, was kein Dich­te­pro­blem war und die Weih­nachts­fens­ter im Waren­haus GLOBUS anzu­se­hen. An Advents­stras­sen­be­leuch­tung kann ich mich nicht erin­nern. Für mei­ne Eltern war es wohl der Blick aufs Wirt­schafts­wun­der, für den Knirps und sei­ne Schwes­ter die aller­schöns­ten Advents­ka­len­der-Bil­der. Das dau­erte, bis für mich der Kirch­gang nicht mehr obli­ka­tho­li­sch war.

Die nächs­te Begeg­nung fand Jah­re spä­ter statt, als vor der Safran­zunft an der Fas­nacht die „Kut­tle­but­zer“ an mir vor­bei­zo­gen. Bei­de Male wuss­te ich nicht, dass an den GLO­BUS-Fens­tern die bei­den Deko­ra­teur­lehr­linge Tin­guely und Gloor (Jean­not & Glöör­li) ihre Hän­de mit im Spiel hat­ten, wuss­te nicht, dass die zwei mit dem Bas­ler Maler Meg­ge Kämpf die Kut­tle­but­zer-Züge geplant und rea­li­siert hatten.

Ich lern­te Chris­toph Gloor, durch sei­ne Nebel­spal­ter-Arbei­ten ken­nen. Mein Vater war Arzt und brach­te die Ror­scha­cher-Nebel-Heft­li jeweils nach dem Ver­falls­da­tum vom War­te­zim­mer mit nach Hau­se. Heu­te sehen Sie im ers­ten Stock, dass sich das Ver­falls­da­tum allen­falls auf die Publi­ka­tion einen Bezug hat­te, nicht aber auf die Zeich­nun­gen von Chris­toph Gloor und die sei­ner Kollegen.

Per­sön­lich lern­te ich Gloor eigent­lich erst vor rund 30 Jah­ren ken­nen, als er auf mei­ner Tief­druck­presse sei­ne ers­ten Radie­run­gen her­stellte. Seit­her sind wir bewusst nach­hal­tige Nach­barn: 100 Meter von Haus­tür zu Haus­tür, hun­dert Meter von Ate­lier zu Ate­lier, hun­dert Meter von Gar­ten zu Gar­ten und nicht zuletzt, hun­dert Meter von Bier zu Bier, von Aschen­be­cher zu Aschenbecher.

Heu­te und jetzt sit­zen wir alle mit­ten in sei­nem „Selbst­por­trait“. Da an Chris­toph die Bits und Byts vor­bei­ge­rannt sind, sehen wir dar­an, dass er die Aus­stel­lung nicht „Gloo­rs Sel­fie“ nennt. Nach sei­nem im GLOBUS erlern­ten Beruf gefragt, sagt er noch immer Deko­ra­teur. Die Jun­gen ver­ste­hen das nicht mehr. Die Aus­bil­dung, so wur­de mir kürz­lich gesagt, heisst heu­te Poli Desi­gner 3D. Das war zur Per­son Gloor.

Noch ein paar Wor­te zu Arbeit von Gloor: Sie wer­den bei den +/- 50 Jah­re alten Arbei­ten Zeich­nun­gen fin­den mit dem Stem­pel vom dama­li­gen Gloor: Kari­ka­tu­rist. Kari­ka­tu­ris­ten zeich­nen zum Beispiel:

Mer­kel beim Langlaufen,
sie zeich­nen: Ber­lus­coni mit offe­ner Hose,
sie zeich­nen: Einen Bun­des­rat, der am Flug­platz auf sei­ne Kof­fer wartet,
sie zeich­nen: Einen Prä­si­dent­schafts­kan­di­da­ten ohne Toupet
oder sie belei­di­gen einen Propheten.

Bei die­ser Gele­gen­heit: die Moham­med-Zeich­nun­gen aus Däne­mark, die Kari­ka­tu­ren in „char­lie heb­do“, nie­mand wird sich in ein paar Jah­ren dafür inter­es­sie­ren, allen­falls His­to­ri­ker. Kunst ist anders. Hier, in die­sem Muse­um, wür­den sol­che Bil­der nicht aus­ge­stellt. Nicht wegen des gezeich­ne­ten Inhalts, nein, wegen man­geln­der zeich­ne­ri­scher Qua­li­tät, das mus­ste auch ein­mal gesagt sein.

Gloor ist nicht Kari­ka­tu­rist, er ist Kari­ka­chro­nist. Gloor beob­ach­tet und zeich­net seit Jahr­zehn­ten den all­täg­li­chen, inzwi­schen glo­ba­li­sier­ten Irr­sinn. Den Irr­sinn, der die Patrio­ten euro­pa­weit aus ihren Löchern treibt, den Irr­sinn, der uns alle betrifft, und uns noch nach Jahr­zehn­ten betrof­fen macht. Der Stoff wird ihm nicht aus­ge­hen. Er zeich­net kei­ne Scha­den­freu­de-Bil­der, er lacht nicht mit Feder und TipEx über Miss­ge­schi­cke der pro­mi­nen­ten Mit­bür­ger, er beschaut uns und bemalt uns. Wir sind gemeint, Sie, Du und ich, an denen der all­täg­li­che Irr­sin ohne Künst­ler wie Chris­toph Gloor wegg­lei­ten wür­de, abrut­schen wie die nas­se Sei­fe in der Duschwanne.

Gloor lässt sich inspi­rie­ren von Phi­lo­so­phen und Lite­ra­ten, von Lich­ten­berg, Kreis­ler und Kraus; und von sei­nen Haustieren.
Bei sei­nen Kat­zen- und Hun­de­bil­dern wird der Sati­ri­ker zum Satie­ri­ker, geschrie­ben mit i‑e.

Und das alles und trotz allem immer mit sei­nem char­man­ten vor­ge­tra­ge­nen bis­si­gen Humor, immer mit tod­erms­tem Gesicht und lachen­den Augen. Kürz­lich bezeich­nete er mir gegen­über Lukas Cra­nach als bedeu­tens­ten Land­schafts­ma­ler. Auf mein Stirn­run­zeln hin mein­te er: „Der Cra­nach malt die schöns­ten Hügel­land­schaf­ten. Venushügel“.

Heu­te endet die letz­te Aus­stel­lung von Chris­toph im Restau­rant Korn­haus. Viel­leicht blei­ben die Bil­der noch län­ger hän­gen, der Künst­ler wird sie nicht wie ver­ein­bart abholen.

 

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Helvetia steh auf!

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