Unsere Welt wächst langsam aber sicher zusammen, — nur nicht unbedingt, wie wir uns das erträumt haben …
Anfangs September erschien aus meiner Feder “Eine kleine Geschichte aus Basel”, selbstverständlich erfunden, aber mit durchaus realem Hintergrund.
Inzwischen ist dank der Weltpresse, insbesondere dank der New York Times und einem Netzwerk investigativer Journalisten, die brutale Unterdrückung der Uiguren in China an die Öffentlichkeit gelangt. Bestätigt wurden die Tatsachen auch durch einen Spiegel-Reporter, der sich längere Zeit in Xinjang aufhielt. Er schreibt u.a.:
“… kaum jemand lässt sich gern auf ein Gespräch ein, nicht der Mann, neben dem man im Flugzeug sitzt, nicht die Familie, mit der man ein Abteil im Schnellzug teilt. Niemand mag seinen Namen nennen. Man zögert schließlich selbst, jemanden anzusprechen. Jede Begegnung könnte Folgen haben, unangenehme für den Reporter, aber dramatische für die Angesprochenen.
Denn ein Leben in Xinjiang ist gefährlich. Wer mit den falschen Leuten, gar mit Ausländern redet, wer die falschen Bücher liest, falsche Websites öffnet oder falsche Gedanken äußert, kann in derselben Nacht noch verhört oder eingesperrt werden. Hunderttausenden, wahrscheinlich mehr als einer Million Menschen ist es so ergangen. Peking hat im Stammland der muslimischen Uiguren einen Überwachungs- und Bestrafungsstaat errichtet, wie ihn die Welt so noch nicht gesehen hat. …”
Soweit, so schlecht … Ein paar Wochen nach seiner Rückkehr wurde der Reporter ins Aussenministerium zitiert. Dort belehrte ihn ein Beamter über die Verantwortungslosigkeit seiner Berichterstattung, — und das ja alles ganz anders sei. Auf den Hinweis besagten Reporters, dass er vor Ort recherchiert habe, zog der Beamte einen Zettel hervor und nannte Ort, Datum und Uhrzeit, wo der Reporter einen Taxifahrer bedrängt habe, über seine Familienverhältnisse Auskunft zu geben.
Der Reporter: “Es stimmt. An diesem Tag hatte mich in Kashgar ein Fahrer zum Flughafen gebracht. Und wir hatten einfach nur über unsere Kinder gesprochen.”
Fazit: Der Grosser Bruder in George Orwell’s “1984” könnte sich inzwischen schon eine dicke Scheibe abschneiden, von dem, was heute möglich geworden ist …