Etwas salopp hat­ten wir uns mit der Namens­er­klä­rung der Frei­en Stras­se in Basel beschäf­tigt. Wir stütz­ten uns auf eine Aus­sa­ge von Dr. Mar­tin Mül­ler, His­to­ri­ker, Grün­der der Pri­vat­schu­le Athen­ae­um in Basel und deren lang­jäh­ri­ger Geschichts­leh­rer und Direk­tor. Nach sei­nen Quel­len kön­nen wir ihn heu­te nicht mehr befra­gen. Ehe­ma­li­ge Schü­ler erin­nern sich aber noch heu­te bes­tens dar­an, mit wel­chen Wor­ten er jeweils sei­ne Geschichts­lek­tio­nen beendete:
Si non e vero, ben trovato”.
Unser Gast­au­tor, Dr. Jür­gen Misch­ke, hat der birsfälder.li-Redaktion freund­li­cher­wei­se die durch Quel­len beleg­ba­re Namens­ge­bung in einem Bei­trag erklärt und die­sen zur Ver­öf­fent­li­chung frei gegeben.
Die Redak­ti­on
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Leicht ange­pass­ter Arti­kel zur Frei­en Stras­se aus dem Lexi­kon “Namen­buch Basel-Stadt 2”.

Der Stras­sen­na­me Freie Stras­se ent­hält das Adj. bsdt., nhd. frei ‹ohne Ein­schrän­kung, nicht gefan­gen, unge­bun­den, unab­hän­gig› < mhd. vrî ‹nicht gefan­gen, ledig, los, unbe­schränkt; etwas nicht besit­zend; frei­ge­bo­ren, ade­lig, unbe­küm­mert, sorg­los, froh, aus­ge­las­sen› < ahd. fri ‹liber›. Dazu das Verb mhd. vrîen, vrî­gen ‹frei machen, erlö­sen erret­ten, ent­le­di­gen›. Das Adj. ist eben­falls im Stras­senN Freie Stras­se enthalten.
In den ältes­ten Bele­gen aus der Mit­te des 13. Jh. wird die­se lat. als libe­ra stra­ta ‹freie (gepflas­ter­te) Stras­se› oder vico libe­ro ‹freie Gas­se, freie Häu­ser­rei­he, frei­es Stadt­vier­tel› bezeich­net. Das Adj. bezieht sich also schon in den ältes­ten Bele­gen auf den Ver­kehrs­weg und nicht auf all­fäl­li­ge ‹freie› Anwoh­ner wie Heus­ler in sei­ner Ver­fas­sungs­ge­schich­te (S. 68) mein­te, wonach die Bele­ge aber *liberorum stra­ta ‹Stras­se der Frei­en› o.ä. lau­ten müss­ten. Dar­über, wel­che Moti­va­ti­on dem Adj. im Bezug zum Ver­kehrs­weg zugrun­de liegt, gab es neben der oben genann­ten in der Bas­ler Stadt­ge­schichts­schrei­bung ver­schie­de­ne Meinungen.
Meist wer­den zwei The­sen ver­tre­ten. Die Stras­se sei ent­we­der einst ‹frei› von Bebau­ung gewe­sen, weil sie viel­leicht aus­ser­halb der Stad­be­fes­ti­gung lag, oder sie galt als reichs­freie könig­li­che Land­stras­se aus­ser­halb der Bischofs­stadt, deren Benut­zung ‹frei› für alle gewe­sen sein soll. Fest steht, dass der Ver­lauf der Frei­en Stras­se Teil einer römi­schen oder viel­leicht sogar vor­rö­mi­schen Fern­stras­se war, die das süd­li­che Ober­rhein­land mit dem Birs­tal und den Jura­päs­sen ver­band. Sie ver­lief tat­säch­lich lan­ge Zeit aus­ser­halb des ältes­ten Sied­lungs­kerns auf dem Müns­ter­hü­gel ent­lang von des­sen Hügel­flan­ke zu einem Über­gang über den Bir­sig auf dem Are­al zwi­schen dem Markt­platz, der Eisen­gas­se und dem Fisch­markt, um von dort der Rich­tung des spä­te­ren Blu­men­rains nach Nor­den in Rich­tung Kembs zu folgen.
Bereits mit dem Bau der sog. Burk­hard­schen Stadt­mau­er Ende des 11. Jh. war die Freie Stras­sen aber Teil des Stadt­be­reichs inner­halb der Mau­ern gewor­den, was z.B. Dani­el Fech­ter noch nicht wis­sen konn­te. Dass die Stras­se bis zum ers­ten Namen­be­leg Anfang des 13. Jh. noch ‹frei› von Bebau­ung war, ist aus­ge­schlos­sen. Auch lag sie seit mind. 200 Jah­ren nicht mehr als ‹freie› Land­stras­se vor der befes­tig­ten Stadt. Man muss dem­nach eine lan­ge münd­li­che Namentra­di­ti­on für die Stras­se behaup­ten, wenn man den gän­gi­gen Namen­er­läu­te­run­gen fol­gen will.
Immer­hin stüt­zen jün­ge­re Nen­nun­gen von Land­stras­sen, die von Basel weg­füh­ren, dass die­se einen beson­de­ren Rechts­sta­tus hat­ten. So wer­den bei­spiels­wei­se 1294 zwei Stras­sen nach All­schwil und Blotz­heim als duar­um stra­tar­um publi­car­um ‹zwei öffent­li­che Stras­sen› oder 1362 die vom Spa­len­tor aus­ge­hen­de Land­stras­se (im 19. Jh. Elsäs­ser­stras­se genannt) als stra­ta publi­ca et con­mu­ni ‹öffent­li­che und all­ge­mei­ne Stras­se› bezeich­net. Es scheint daher denk­bar, dass mit dem Are­al der Frei­en Stras­se noch im 12. und 13. Jh. gewis­se öffent­li­che Nutz- und Besitz­rech­te ver­bun­den waren, die einer­seits auf den beson­de­ren ehem. Rechts­sta­tus der Land­stras­se als Reichs­stras­se und/oder auf all­ge­mei­ne Nut­zungs­rech­te der land­wirt­schaft­li­chen Kom­mu­ne im ehem. unmit­tel­ba­ren Vor­stadt­ge­biet zurück­ge­hen (dazu gibt es den Arti­kel ALLMEND im Namen­buch Basel-Stadt 2). In die­sem Sin­ne kann der Stras­senN viell. als ‹all­ge­mei­ne, öffent­li­che Stras­se› gedeu­tet wer­den. Ohne wei­te­re Bele­ge kann die genaue Moti­va­ti­on aber nicht mehr ermit­telt wer­den. Der heu­ti­ge Ver­lauf und die Gestalt der Stras­se geht wesent­lich auf Ver­brei­te­rungs­mass­nah­men des 19. Jh. zurück. Die amtl. Fixie­rung des Stras­senN erfolg­te 1861 und kommt auch in vie­len wei­te­ren Ort­schaf­ten der Schweiz vor.

Jür­gen Mischke

Die ältes­ten Bele­ge zum Stras­sen­na­men lauten:
1290 an der vri­enſ­tra­ze (KloA St. Leon­hard A, 50r);
1276 (1893 K) sitis in Libe­ro vico (UBBS 2, 201, 111f.);
1276 (1893 K) in vico dic­to du Fri­ge­stra­se (UBBS 2, 205, 115f.);
1262 (1890 K) domo sita in vico Libe­ro (UBBS 1, 410, 304f.);
1241 (1890 K) sitam in Libe­ra stra­ta (UBBS 1, 154, 107f.).

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Mattiello am Mittwoch 5/4

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