Auf der ersten grossen Erkundung des Elsass und der Vogesen auf meinem treuen Stahlross vor Jahrzehnten stiess ich nach dem Besuch des Odilienbergs/ Mont St. Odile (kommender Artikel) noch etwas weiter nördlich in der Nähe von Strassburg auf den Donon. Da ich ohne irgendeinen Reiseführer drauflos radelte, waren die Entdeckungen der Vogesen-Schönheiten umso eindrücklicher, (ganz abgesehen von der Entdeckung der Elsässer Küche und Weine und der heimeligen “chambres d’hôte, die sich überall finden 🙂 ).
Gross war die Überraschung, als ich auf dem Gipfes des Donon — abgesehen von ein paar kiffenden jungen Deutschen — auf einen archaisch wirkenden Tempel stiess. Ein gut erhaltener Tempel in den Vogesen!? — Das Rätsel löste sich, als ich später erfuhr, dass er mitnichten archaisch war, sondern aus dem Jahre 1869 stammte, als noch Napoleon III. über Frankreich herrschte. Offensichtlich war er als eine Art Museum für Ausgrabungsfunde auf dem Donon gedacht.
Ähnlich wie der Tännchel und der Odilienberg hatte auch der Donon in keltischer Zeit eine religiöse und spirituelle Bedeutung. Sein Name scheint vom keltischen “dun” mit der Bedeutung “Hügel, Berg” abgeleitet zu sein. Auch für die römischen Besatzer behielt der Donon seine sakrale Bedeutung, wie viele Artefakte — Statuetten, Stelen und Votivtafeln — bezeugen. Sie weihten den Berg dem Gott Merkur. Auf dem Donon-Pass ist eine Replik der Jupiterstatue in der Tradition der sog. Anguipède zu bewundern.
Schon ein Jahr nach der Errichtung des Tempels war mit Napoleon III. fertig lustig. Er musste bekanntlich 1870 im deutsch/ französischen Krieg kapitulieren, und das Elsass wanderte zurück ins neue Deutsche Reich, wo es bis zu dessen Niederlage im 1. Weltkrieg 1918 verblieb. Der Touristenmagnet Hohkönigsburg ist ein eindrückliches Denkmal aus dieser Zeit: Kaiser Wilhelm II. rüstete die mächtige Ruine für die damalige Zeit horrende Summe von zwei Millionen Mark zu seiner “Traumburg” auf, — bezahlt allerdings zum grossen Teil von Elsass/Lothringen …
Wie schon auf dem Linge kann man auch auf dem Donon ein ziemlich gut erhaltenes Bunkersystem aus dem 1. Weltkrieg besichtigen. Anscheinend spielte er auch im zweiten Weltkrieg eine Rolle, diesmal als “Schlupfloch” für Flüchtlinge aus Konzentrationslagern oder für Elsässer, die den deutschen Kriegsdienst verweigerten.
Und noch ein Geheimnis hat der Donon aufzuweisen. An einem der Wanderwege zum Gipfel kann man an dieser Inschrift vorbeikommen. Darauf steht: En ce lieu le V floréal An IX fut conçu Victor Hugo. Der berühmte, wenn nicht berühmteste französische Dichter und Schrifsteller sei am 25.
April hier auf dem Donon gezeugt worden!! Vater Leopold, damals Offizier in der französichen Armee, schrieb seinem Sohn nämlich am 19. November 1821: “Gezeugt, nicht auf dem Pindus (griechischer Berg, der Apollo gewidmet ist), sondern auf einem der höchsten Gipfel der Vogesen, während einer Reise von Lunéville nach Besançon, scheinst Du diesen fast luftigen Ursprung zu spüren und Deine Muse ist ständig erhaben.”
Wer sich kundig machen, ob es sich da um eine “urban legend” oder um historische Realität handelt, und gleichzeitig sein/ihr Französisch wieder etwas aufpolieren will, findet hier eine interessante Diskussion dazu.
Heute dient der 1009 Meter hohe Donon als Wanderziel friedlicheren Zwecken: Er ist ein idealer Aussichtspunkt. Und ein ideales Fotosujet, wie das Bild eines Donon-Liebhabers aus der Gegend bezeugt :-).
Nicht weit vom Donon entfernt findet sich eine Stätte, die zum düstersten Kapitel der Vogesen gehört: der Struthof. Auf ihn werden wir im nächsten Beitrag irgendwann vor oder nach Ostern eingehen.
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