Die Hei­rat mit Maria geriet schon bald kurz­zei­tig etwas ins Wan­ken, als Hux­ley sich Hals über Kopf in eine exzen­tri­sche Frau aus der Lon­do­ner Bohè­me ver­lieb­te. Maria zeig­te sich zuerst ganz im Sin­ne der Sze­ne tole­rant, zog aber schliess­lich die Reissleine:
Am nächs­ten Mor­gen wür­de sie Eng­land auf Dau­er in Rich­tung Ita­li­en ver­las­sen — mit ihm oder ohne ihn. In aller Hast pack­te sie das Nötigs­te zusam­men und ver­an­lass­te Nach­sen­dun­gen, wäh­rend Aldous ihr zuschau­te und zöger­lich mit­half. Letzt­lich beglei­te­te er sie und setz­te damit einen abrup­ten Schluss­strich unter das Kapi­tel Nan­cy Cunard.
Unab­ding­ba­rer Beglei­ter sei­nes Gepäcks war jeweils die 29-bän­di­ge Ency­clo­pe­dia Britannica …

In den nächs­ten Jah­ren gelang es Hux­ley dank sei­ner Mit­ar­beit in ver­schie­de­nen renom­mier­ten Zeit­schrif­ten — u.a. Vogue und Vani­ty Fair — , als Thea­ter- und Musik­kri­ti­ker und nicht zuletzt als Dich­ter sich einen Namen zu machen und eine finan­zi­ell gesi­cher­te Exis­tenz auf­zu­bau­en. 1921 erschien sein ers­ter Roman “Eine Gesell­schaft auf dem Lan­de”, ein illu­si­ons­lo­ser und iro­ni­scher Blick auf die bür­ger­li­che Gesell­schaft sei­ner Zeit.

Schliess­lich offe­rier­te ihm der renom­mier­te Ver­lag “Chat­to & Win­dus” einen Drei­jah­res­ver­trag mit der Bedin­gung, jedes Jahr zwei Bücher mit Erzähl­li­te­ra­tur zu ver­fas­sen, von denen jeweils eines ein Roman zu sein hat­te. Die Erfol­ge von “Nar­ren­rei­gen” (1923) und “Par­al­le­len der Lie­be” (1925) bewo­gen den Ver­lag, den Ver­trag zu ver­län­gern. 1928 folg­te “Kon­tra­punkt des Lebens”.

Sie alle und die vie­len Kurz­ge­schich­ten hat­ten eines gemeinsam:
Scho­nungs­los prä­sen­tier­te er die sinn­ent­leer­te, ihres mora­li­schen Zusam­men­halts ent­le­dig­te und gott­lo­se Gegen­wart­se­xis­tenz, wie er sie in der ihm bes­tens ver­trau­ten intel­lek­tu­el­len Bohè­me bei­spiel­haft wahrnahm.
In ihrer Sub­jek­ti­vi­tät gefan­gen, wir­ken Hux­leys Figu­ren auch in Gesell­schaft iso­liert und allein. Es wird zwar viel und cle­ver-iro­nisch gespro­chen, aber es fin­det wenig ech­te Kom­mu­ni­ka­ti­on statt, da man weit­ge­hend mit sich selbst beschäf­tigt ist, anein­an­der vor­bei­re­det oder den ande­ren nicht ver­steht. Die ver­schie­de­nen, ein­sei­tig ver­tre­te­nen Hal­tun­gen, die einer per­sön­li­chen Sinn­su­che ent­spre­chen, blei­ben unver­mit­telt neben­ein­an­der ste­hen und erge­ben ein Kon­glo­me­rat von Annah­men, die sich gegen­sei­tig rela­ti­vie­ren. Zwi­schen­mensch­li­che Bezie­hun­gen und das Han­deln der Figu­ren erschei­nen ober­fläch­lich und unver­bind­lich, wer­den über­schat­tet von Heu­che­lei, (Selbst-)Täuschung, Eng­stir­nig­keit, Unsi­cher­heit und Inkon­se­quenz und gehen folg­lich ins Leere (…)
Über all­dem schwebt der zynisch-sati­ri­sche Blick des Autors, der die Figu­ren und mit ihnen den pre­kä­ren Zustand des Zeit­al­ters der Lächer­lich­keit preis­gibt und dabei auch nicht davor zurück­schreckt, kör­per­li­che Gebre­chen, Krank­heit und Tod mit einzubeziehen. (…)
Es ver­wun­dert somit kaum, dass sich Hux­ley schon in Kür­ze den Vor­wurf der emo­tio­na­len Käl­te ein­han­deln soll­te; aber er gab letzt­lich nur über­spitzt wie­der, was er beob­ach­te­te, und er schon­te sich dabei selbst kei­nes­wegs. Wie­der­holt taucht in sei­nen Tex­ten die eige­ne Per­son nur wenig ver­schlei­ert als sati­ri­sche Ziel­schei­be auf.
(alle Aus­zü­ge aus Rasch / Wag­ner, Aldous Huxley)

Ein guter Teil sei­nes lite­ra­ri­schen Schaf­fens fand dank Bezie­hun­gen der Fami­lie Mari­as in Ita­li­en statt, in Flo­renz, vor allem aber in For­te dei Mar­mi, heu­te wegen der Über­nah­me des Ortes durch rus­si­sche Olig­ar­chen in den Schlag­zei­len. Der typi­sche Tages­ab­lauf Hux­leys sah so aus:
… mor­gens Arbeit nach dem Früh­stück, dann ein Bad im Meer, Mit­tag­essen, Ruhe, Tell, wei­te­re Arbeit, ein Spa­zier­gang, Abend­essen und schliess­lich Lesen, Musik oder Arbeit bis zur Schlafenszeit. 

Der Luxus der Anschaf­fung eines Citro­ën mit Maria am Steu­er erlaub­te den Hux­leys zwi­schen­durch aus­ge­dehn­te Rei­sen quer durch Ita­li­en, immer auf den Spu­ren der gross­ar­ti­gen Kunst­schät­ze die­ses Lan­des,  und in Frankreich.

Es folg­te 1925 eine Rei­se nach Tune­si­en, und nach einer unlieb­sa­men Begeg­nung mit den auf­kom­men­den Faschis­ten im Herbst der Beginn einer neun­mo­na­ti­gen Welt­rei­se, — gröss­ten­teils finan­ziert durch ver­schie­de­ne Ver­la­ge, die auf sei­ne Rei­se­be­rich­te warteten.

Dazu mehr in der nächs­ten Fol­ge am kom­men­den Sams­tag, den 22. September.

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