Holz­kreu­ze auf dem Col­let du Lin­ge. Sie bezeich­nen Orte, an denen in den letz­ten Jah­ren Gebei­ne von Gefal­le­nen gebor­gen wer­den konnten. 

Wer im Som­mer sich das Ver­gnü­gen gönnt, in bestimm­ten Gegen­den der Voge­sen Hei­del­bee­ren zu pflü­cken, dem kann es zustos­sen, dass er abseits der Wald­we­ge plötz­lich über eine ver­ros­te­te Gra­na­te stolpert.

Die Gra­na­te ist Mahn­mal und Erin­ne­rung an eines der dun­kels­ten Kapi­tel in der Geschich­te der Voge­sen: Die Schüt­zen­gra­ben­kämp­fe zwi­schen Deut­schen und Fran­zo­sen im 1. Welt­krieg am Col­let du Lin­ge und auf dem Hart­manns­wil­ler­kopf (Vieil Armand), —  mit gegen 50’000 Toten.

Wäh­rend des Ers­ten Welt­kriegs lag der Col­let du Lin­ge auf der Front­li­nie, die in den Voge­sen deut­sche und fran­zö­si­sche Trup­pen trenn­te. Vom 20. Juli bis zum 15. Okto­ber 1915 war der Pass Schau­platz blu­ti­ger und ver­lust­rei­cher Kämp­fe (in Frank­reich als Batail­le du Lin­ge bezeich­net). Fran­zö­si­sche Gebirgs­jä­ger­ein­hei­ten ver­such­ten ver­geb­lich, die von deut­scher Sei­te durch die För­der­bahn Drei Ähren – Uhl­horst erschlos­se­nen und mit Bun­kern und Sta­chel­draht­ver­hau­en stark befes­tig­ten und von baye­ri­schen Land­wehr­re­gi­men­tern mit Artil­le­rie und Maschi­nen­ge­weh­ren ver­tei­dig­ten Höhen­zü­ge (Lin­ge­kopf, Bar­ren­kopf, Klein­kopf und Schratz­män­nele) zu erstür­men. Nach einem letz­ten Gegen­an­griff der deut­schen Trup­pen erstarr­te die Front und der Schwer­punkt der Aus­ein­an­der­set­zun­gen ver­la­ger­te sich zum Hart­manns­wil­ler­kopf. (Wiki­pe­dia)

Wenn man sich vom Luft­kur­ort Les Trois Epis aus in die Wäl­der begibt, stösst man frü­her oder spä­ter auf das ehe­ma­li­ge Kampf­ge­biet mit dem ver­schlun­ge­nen Netz von Schüt­zen­grä­ben. Seit 1981 gibt es am Lin­ge ein klei­nes Muse­um, das Ein­blick gewährt in die Lebens­be­din­gun­gen und Mör­der­instru­men­te der dort sta­tio­nier­ten Truppen.

Ein Spa­zier­gang durch das Schüt­zen­grä­ben­sys­tem — strik­tes Ver­bot, die offi­zi­el­len Wege zu ver­las­sen! — lässt einen betrof­fen  zurück. Man stellt mit beklem­men­den Gefüh­len fest, dass die feind­li­chen Schüt­zen­grä­ben oft nur weni­ge Meter, also in Hand­gra­na­ten-Wurf­wei­te von­ein­an­der ent­fernt waren. Und man kann sich noch etwas deut­li­cher aus­ma­len, durch wel­che Schre­cken die Sol­da­ten an der 750 km lan­gen West­front in den unfass­ba­ren Mate­ri­al­schlach­ten wei­ter nörd­lich bei Ver­dun, an der Som­me, am Che­min des Dames gegan­gen sein muss­ten — um nur eini­ge zu nen­nen. Erich Maria Remar­que (“Im Wes­ten nichts Neu­es”) und Hen­ri Bar­bus­se (“Das Feu­er”) haben Zeug­nis von die­sem mil­lio­nen­fa­chen sinn­lo­sen Mor­den abgelegt.

Den Aus­ein­an­der­set­zun­gen auf dem Hart­manns­wil­ler­kopf, dem “Men­schen­fres­ser-Berg”, hat SRF Kul­tur vor ein paar Jah­ren einen Bei­trag gewid­met. Eine Repor­ta­ge der FAZ fin­det sich hier.

Bis Ende 1915 lan­cie­ren ent­we­der die deut­sche oder die fran­zö­si­sche Sei­te am Hart­manns­wei­ler­kopf immer wie­der Offen­si­ven und Gegen­of­fen­si­ven. Jede mit noch grös­se­rer Feu­er­kraft und mit noch höhe­ren Opfern als die vor­he­ri­ge, ohne dass eine Sei­te einen Durch­bruch über län­ge­re Zeit hal­ten könnte.

Gekämpft wird nicht nur auf dem Gip­fel, son­dern in allen Flan­ken, Fel­sen und Grä­ben des Ber­ges. Ton­nen von Bom­ben, Minen und Gra­na­ten machen aus dem Urwald eine Mond­land­schaft: Eine von Schüt­zen- und Lauf­grä­ben zer­schnit­te­ne Berg­kup­pe aus Schlamm, Stein und Baum­stümp­fen – so prä­sen­tiert sich der Hart­manns­wei­ler­kopf auf Bil­dern aus die­sen Tagen. (SRF)

Die vier Kriegs­jah­re hin­ter­lie­ßen bis heu­te noch sicht­ba­re Spu­ren und Relik­te am Hart­manns­wil­ler­kopf. Ursprüng­lich bewal­det, zeigt sich die Berg­kup­pe heu­te gras­über­wach­sen mit spär­li­chem Baum­be­wuchs. Vor allem in den ers­ten bei­den Kriegs­jah­ren ist der Wald durch die Angrif­fe voll­kom­men ver­schwun­den. Von dem erstarr­ten Stel­lungs­krieg zeu­gen heu­te noch ein gut erhal­te­nes Sys­tem von unge­fähr 6000 Stol­len und Unter­stän­den und 90 Kilo­me­tern Schüt­zen­grä­ben, Draht­ver­haue und Gra­nat­trich­ter. (Wiki­pe­dia)

.….….….….….….… Neben dem fran­zö­si­schen Natio­nal­fried­hof fin­det sich eine nach dem Waf­fen­still­stand im Novem­ber 1918 errich­te­te Kryp­ta mit je einem katho­li­schen, evan­ge­li­schen und jüdi­schen Altar sowie das deutsch-fran­zö­si­che “His­to­ri­al” auf dem Berg. Das Muse­um wur­de 2017 von den bei­den Prä­si­den­ten, Emma­nu­el Macron und Frank-Wal­ter Stein­mei­er als ein Sym­bol der Aus­söh­nung zwi­schen den bei­den Natio­nen eröffnet.

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Der ers­te Welt­krieg leg­te schon den Samen für den bald nach­fol­gen­den zwei­ten. Hof­fen wir, dass das fran­zö­si­sche Sprich­wort “Jamais deux sans trois” nie in Erfül­lung gehen wird …

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